(1943-2023)

Geboren in der texanischen Stadt Odessa als ältestes von fünf Kindern, aufgewachsen in Freeport, Texas, und South Bend, Indiana, verbrachte Leslie H. Edgerton vier Jahre bei der US-Navy, unter anderem als Kryptologe in der Zeit der Kubakrise. Ende der 60er-Jahre sass er wegen bewaffneten Raubüberfalls zwei Jahre im berüchtigten Pendleton Reformatory in Fall Creek, Indiana. Nach seiner Freilassung machte er einen Bachelor-Abschluss in General Studies an der Indiana University in South Bend, danach einen Master in Fiction Writing am Vermont College. In den folgenden Jahren leitete er unzählige Creative Writing Workshops. Edgerton war bereits über sechzig, als er den Schwerpunkt auf das Schreiben legte und Sachbücher über Baseball und das Schreiben, Stories, Essays, Artikel, Romane, die Erinnerungen ‚Adrenaline Junkie‘ und Drehbücher verfasste. Er lebte mit seiner Frau Mary, die er 1986 geheiratet hatte, und dem gemeinsamen – wenige Monate vor ihm mit 33 an einem Herzinfarkt verstorbenen – Sohn Michael in Fort Wayne, Indiana, wo er 80-jährig einer Covid-Infektion erlag.

Auf Deutsch ist bisher einzig ‚Der Vergewaltiger‘ verfügbar, herausgegeben im Jahr 2017 durch den Pulp Master Verlag, der indes zwei weitere von Edgertons acht Krimis in der Pipeline hat: ‚Primat des Überlebens‘ und ‚Das grenzgeniale Pseudo-Kidnapping‘, im Original ‚The Bitch‘ beziehungsweise ‚The Genuine, Imitation, Plastic Kidnapping‘.

Der 44-jährige Princeton-Absolvent Truman Ferris Pinter, verurteilt wegen Vergewaltigung und Mord, sitzt in der Todeszelle und wartet guten Mutes auf seine Hinrichtung, die in zehn Stunden vollzogen werden soll. Die Wartezeit gibt ihm die Gelegenheit, vor sich und der ganzen Welt die Geschichte seines Lebens wortreich auszubreiten – eine Mixtur aus Gefasel, Bildungshuberei, Fantasie und Lügenmärchen, die uns in das Gehirn eines Soziopathen blicken lässt. Die Erzählung besteht aus drei Teilen: Der Gegenwart im Todestrakt mit Rückblenden auf sein Verbrechen und die Gerichtsverhandlung; der Vergangenheit im Elternhaus mit einer übergriffigen Mutter, einem oft abwesenden Vater, den er möglicherweise im Schlaf erstochen hat, und mit ihm selbst als kleinem Jungen, der fliegen konnte, bis er in die Pubertät kam; sowie der Zukunft, die er akribisch geplant hat: Unmittelbar vor der Hinrichtung wird er den Knast dank seiner zurückgewonnenen Flugkünste verlassen, kurz danach wird er zurückkehren, um sich den Vollstreckern zu stellen und ihnen zu veranschaulichen, wie sinnlos ihre Arbeit ist. ‚Der Vergewaltiger‘ ist ein grossartiger, wenn auch stellenweise schwer erträglicher Roman, dem der Autor John William Dunnes Zeile „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft existieren gleichzeitig, wie unsere Träume beweisen“ voranstellt, und der durch Ekkehard Knörers erhellendes Nachwort ‚Please Allow Me To Introduce Myself‘ geadelt wird.

Bibliografie:

The Death of Tarpons‘ (1996), ‚Just Like That‘ (2011), ‚The Bitch‘ – ‚Primat des Überlebens‘ (2011), ‚Mirrot, Mirror‘ (2012), ‚The Rapist‘ – ‚Der Vergewaltiger‘ (2013), ‚The Genuine. Imitation, Plastic Kidnapping‘ (2014), ‚Bomb!‘ (2016), ‚Hard Times‘ (2020).