(1942-2023)

John Dunning kam im New Yorker Stadtteil Brooklyn zur Welt und wuchs in Charleston, South Carolina, auf. 1964 liess er sich in Denver, Colorado, nieder, wo er dann fast sein ganzes Leben verbrachte. Aufgrund eines erst viel später diagnostizierten Aufmerksamkeitsdefizit-Syndroms beendete er seine Ausbildung im zehnten Schuljahr und arbeitete daraufhin zunächst als Glasschleifer und als Stallbursche an einer Pferderennstrecke. Nach vier Jahren als Reporter bei der ‘Denver Post’ begann er 1970 mit der Schriftstellerei. Ein Zerwürfnis mit seinem Verleger führte dazu, dass er 1984 mit seiner Frau in Denver das legendäre Antiquariat ‘Old Alonquin Bookstore’ gründete. Acht Jahre später erschien sein erster Band der Cliff Janeway-Serie. 1994 verlegte er sich auf den Buchvertrieb per Internet (‘Old Alonquin Books’). Ausserdem betreute er viele Jahre die Radioshow ‘Old-Time Radio’, gab später die darauf beruhenden Enzyklopädien ‘Tune in Yesterday’ und ‘On the Air’ heraus und besass eines der grössten Archive über die Geschichte des Radios. Als Folge eines 2006 nur teilweise entfernten Hirntumors entwickelte er eine langsam fortschreitende Demenz, die im Mai 2023 zum Tod führte. Dunning hinterliess seine Frau Helen, mit der er seit 1969 verheiratet war, seine Tochter Katie und seinen Sohn Jim.

Cliff Janeway war Cop bei der Mordkommission Denver, bis er den Dienst aufgrund seiner allzu engen Mafia-Kontakte quittieren musste. Er verlegte sich dann auf den Handel mit kostbaren Erstausgaben – und gerät sich dabei immer wieder mit Verbrechern in die Haare. Janeway ist ein schlagkräftiger, aufbrausender Bursche mit einer humorvollen, fürsorglichen Seite und ein glänzender Ermittler. Im Verlauf der fünfteiligen Reihe, aus der einzig der dritte Titel, ‘Das Geheimnis des Buchhändlers’, auf Deutsch vorliegt, beginnt er eine Liebesbeziehung mit der Anwältin Erin D’Angelo.

Ausgangspunkt des auch unter dem Titel ‘Hunter’ publizierten Romans ‘Das Geheimnis des Buchhändlers’ sind Leben und Werk des schillernden Briten Richard Francis Burton (1821-1890). Der weitgereiste, mit ungezählten Sprachen und Kulturen vertraute Autor, Übersetzer, Forscher und Diplomat, der als Captain am Burenkrieg teinahm und später für die Krone in Indien sowie, am Vorabend des amerikanischen Bürgerkriegs, in den USA spionierte, schrieb unter den Pseudonymen Mirza Abdullah the Bushri, Hji Abdu El-Yezdi und Frank Baker hauptsächlich über seine Abenteuer in Asien, Afrika und Amerika, aber auch über exotische Themen wie Sexualpraktiken der Somali, und sparte dabei nicht mit Kritik an der Kolonialpolitik des British Empire.

Janeways Begeisterung für Richard Burton wurde geschürt, als er an einer Auktion dessen berühmtes Buch ‘A Secret Pilgrimage to Mecca and Medina’ ergattern konnte. Das Exemplar befand sich in ausgezeichnetem Zustand und war zudem mit einer Widmung für Burtons in keiner Biografie erwähnten “lieben Fraund Charles Warren” versehen. Janeway vertiefte sich in das Werk des Autors und avancierte rasch zum angesehensten Burton-Fachmann der Vereinigten Staaten. Da taucht eines Tages die fast hundertjährige Josephine Gallant bei ihm auf, Charles Warrens Enkelin, die glaubhaft versichert, sie sei im Besitz einer riesigen Sammlung von Burtons Büchern und Briefen gewesen, bis diese unmittelbar nach Warrens Tod vor achtzig Jahren abhanden kam und seither verschollen ist. Kurz nachdem sie Janeway das Versprechen abnahm, das unendlich wertvolle Werk mit aller Kraft zu suchen, haucht sie ihre Seele aus. Eine erste Spur führt Janeway zu der alteingesessenen – höchst zwielichtigen – Buchhändlerfamilie Treadwell in Baltimore. Und dann überschlagen sich die Ereignisse, denn an der Jagd nach Burtons verschollenem Werk beteiligen sich auch eine skrupellose Gang – sowie ein erst ganz am Schluss entlarvter Gentleman.

Der Standalone ‘Two O’Clock, Eastern Wartime’ (auf Deutsch: ‘Die Radiosängerin’) spielt im Juni 1942, ein halbes Jahr nach dem Angriff der Japaner auf die Vereinigten Staaten. Der erfolglose kalifornische Schriftsteller Jack Dulaney trauert um seinen besten – am Pearl Harbor umgekommen – Freund, vermisst seine Geliebte Holly Carnahan, die ihn soeben verlassen hat, und schmort nach einer aus dem Ruder gelaufenen Schlägerei im Knast, als er erfährt, dass Holly in Nöten steckt und ihr Vater verschwunden ist. Er flieht aus dem Gefängnis und folgt ihr unter falschem Namen, Jordan ten Eyck, an die Küste von New Jersey, wo sie als Sängerin bei dem berühmten Rundfunksender WHAR inzwischen gross eingeschlagen hat, doch sie behandelt ihn wie einen Fremden. Rasch macht Jack sich einen Namen als Autor von Radiodramen – und stösst nebenbei auf eine Verschwörung, der womöglich auch Hollys schon länger bei WHAR angestellter Vater zum Opfer fiel, und die bereits sechs Jahre zuvor einem britischen Radioschauspieler das Leben gekostet hatte. Dunning kombiniert in diesem Roman eine verwickelte, von facettenreichen Charakteren getragene, in die Zeit des Burenkriegs zurückreichende Spionage-, Mord- und Liebesgeschichte mit einer Hommage an die Anfangszeit des Rundfunks, dem namentlich im Zweiten Weltkrieg grosse Bedeutung zukam.

Dunning genoss in seiner Heimat bei Lesern und Kritikern hohes Ansehen. Gerühmt wurde vor allem sein Geschick, Abenteuergeschichten mit Thrillerelementen zu durchsetzen und am Ende eine unerwartete Lösung aus dem Hut zu zaubern. ‘Die Radiosängerin gilt als sein Meisterwerk, sogar das schonungslose, unabhängige Organ ‘Kirkus Review’ waren des Lobes voll für dieses Buch. Im deutschsprachigen Raum higegen ist Dunning weitgehend durchgefallen.

Bibliografie:

Cilff Janeway-Serie: ‘Booked Toe Die’ (1992), ‘The Bookman’s Wake’ (1995), ‘The Booksman’s Promise’ – ‘Das Geheimnis des Buchhändlers’ (auch unter dem Titel ‘Hunter’, 2004), ‘The Sign of the Book’ (2005), ‘The Bookman’s Last Fling’ (2006);

Standalones: ‘The Holland Suggestions’ (1975), ‘Looking for Ginger North’ (1980), ‘Denver’ (1980), ‘Deadline’ (1981), ‘Two O’Clock, Eastern Wartime’ – ‘Die Radiosängerin’ (2001), ‘Bookscout’ (Novelle, 2013), ‘Dreamer’ (Novelle, 2013).