(*1960)
Geboren in Shrewsbury, West Midlands, aufgewachsen dort und in der walisischen Küstenstadt Aberystwyth, studierte Malcolm Priyce Deutsch an den Universitäten Warwick und Freiburg im Breisgau. Er war Tellerwäscher in München, Fliessbandarbeiter bei BMW, Aluminium-Verkäufer, Matrose auf einer Yacht im Südpazifik und Werbetexter in London und Singapore. Nach siebenjährigem Aufenthalt in Bangkok lebt der “King of Welsh Noir” seit 2007 in Oxford, wo er Romane und Theaterstücken verfasst, wenn er nicht mit seinem Boot unterwegs ist.
Louie Knight, Aberystwyths einziger Privatdetektiv, steht im Mittelpunkt einer aus sechs Raymond Chandler-Pastiches bestehenden Serie, deren erste zwei Bände in der Reihe “funny crimes” des Berliner Shayol Verlags erschienen sind.
Louie Knight über den Geruch seiner Stadt in einer heissen Sommernacht: “Die Mischung hätte einem Weintester, der die verschiedenen Durftnoten enträtseln wollte, viele glückliche Tage beschert. Die Betonung lag auf gebratenen Zwiebeln, verschüttetem Bier, salzigem Tanggeruch und, als Kröung des Ganzen, Kokosnussöl, Schweiss, Rasierwasser und Hundepisse…ein Geruch, der auf immer und ewig mit drei besonderen Klängen verknüpft seine würde: dem gedämpftem Tosen des Meeres, dem elektronischen Geklingel aus den Spielhöllen und dem gespenstischen Heulen der Polizeisirenen.” Als roter Faden dient Pryce das “walisische Vietnam” – der Patagonienkrieg von 1961, der immer wieder seine Schatten auf die Vorfälle im Ort wirft.
Viel zu tun gibt es nicht für Louie, der mit Mrs. Llantrisant eine Hilfskraft beschäftigt und durch das pfiffige Teenager-Mädchen Calamity Jane assistiert wird. Für Ordnung sorgen nämlich vor allem die “Druiden”, eine kleine Gruppe von einflussreichen Männern, die das Schulwesen, aber auch die Prostitution und das Glücksspiel fest im Griff haben. Eines Tages sitzt ausgerechnet Louies Schwarm, die berühmte walisische Nachtklub-Sängerin Myfanway Montez, im schäbigen Büro des Schnüfflers. Er soll für sie ihren vermissten Cousin “Evans the Boot” aufzuspüren, diesen halbstarken Lümmel, mit dem jeder, der ihn kennt, möglichst wenig zu haben will. Kurz nach Myfanways Besuch wird das Detektivbüro durchwühlt. Und kommt Giuseppe Bronzini, jugendlicher Spross des Bronzini-Clans, gewaltsam ums Leben. Er ist bereits der dritte tote Schüler, alle aus der gleichen Klasse, derjenigen, der auch Evans angehört. Weitere Morde werden folgen. Erst im lustig-apokalyptischen, das Genre des Katastrophenfilms auf die Schippe nehmenden Finale klären sich die Fronten. Wunderbare Einfälle, kunterbunte Nebenhandlungen, überraschende Wendungen und das originelle Personenensemble mit starken Frauenfiguren und einem Detektiv, den man einfach gernhaben muss – ‘Aberystwyth Mon Amour’ garantiert höchst erfreuliche Lesestunden.
Auch im zweiten – drei Jahre später spielenden – Band, ‘Der letzte Tango in Aberystwyrth’, ergänzt Pryce seine Gumshoe Story mit Slapstick-Szenen, surrealistischen Elementen und einer Prise Noir. Die missionierende Studentin Gretel engangiert Louie Knight für die Suche nach ihrem Dekan Morgan, dem Inhaber des Lehrstuhls für Bestattungswesen im Nachbarstädtchen Lampeter, der vor einigen Tagen auf mysteriöse Weise verschwunden ist. Die Ermittlungen führen den unerschrockenen Schnüffler auch diesmal tief hinein in die lokale Unterwelt, wo sich die hierarchischen Strukturen inzwischen ein wenig verschoben haben – vor allem die “Essen-auf-Rädern”-Bande ist schwer im kommen. Acht geben muss Louie aber auch auf den “Raben”, einen Fremden, der angeblich einen ans Rotkäppchen-Märchen angelehnten Snuff-Film drehen will. Spritzige Dialoge und ein Sammelsurium von skurrilen Typen runden die Geschichte ab. Als Surplus erklärt uns der Autor die Regeln des walisischen Roulettes, wie es von dem Polizisten Llunos praktiziert wird, um seinen Verhören mehr Nachdruck zu verleihen: Er holt seinen schwarzen Gummiknüppel heraus, legt einen rotbemalten Gummiknüppel und ein Roulettespiel für Kinder hinzu und dreht das Rad. Landet die Kugel auf der schwarzen Vier, verpasst er dem Verdächtigen vier Hiebe mit dem schwarzen Knüppel, landet sie auf der roten Neun, kriegt der renitente Kerl neun Hiebe mit dem roten Knüppel usw. Auf unserem Freund Louie aber wartet am Ende lang ersehntes Liebesglück.
Bibliografie:
Louie Knight-Serie: ‘Aberystwyth Mon Amour’ – Aberystwyth Mon Amour’ (2001), ‘Last Tango in Aterystwyrth’ – ‘Der letzte Tango in Aberystwyrth’ (2003), ‘The unbearable Lightness of Being in Aberystwyrth’ (2005), ‘Don’t Cry For Me Aberystwyrth’ (2007), ‘From Aberystwyrth with Love’ (2009), ‘The Day Aberystwyrth Stood Still’ (2011);
Jack Wenlock-Krimis: ‘The Case of the “Hail Mary” Celeste’ (2015), ‘The Corpse in the Garden of Perfect Brightness’ (2020).