(*1959)

Don Lee hat koreanische Wurzeln. Geboren in Tokio als Sohn eines hochrangigen Angestellten des State Department, wuchs er vornehmlich in Seoul und in Tokio auf, wo er die ASIJ (American School in Japan) besuchte. Er studierte Englische Literatur an der UCLA und machte einen Master-Abschlussin in Creative Writing am Emerson College in Boston. Daraufhin unterrichtete er vier Jahre Romanschreiben an dieser Schule. Von 1988 bis 1995 gab er die Literaturzeitschrift ’Ploughshares’ heraus und schrieb in seiner spärlichen Freizeit hin und wieder eine Kurzgeschichte. 2001 veröffentlichte er die Geschichtensammung ‚Yellow‘, drei Jahre später seinen ersten Krimi ‚Wenn es Nacht wird in Tokio‘. Don Lee lebt mit seiner Frau, der Autorin und Dozentin Jane Delury, in der Hafenstadt Baltimore, Maryland.

’Wenn es Nacht wird in Tokio’, angesiedelt im Jahr 1980, erzählt von drei gegensätzlichen Menschen, die sich auf der Suche nach ihrer Heimat, nach ihrer Identität befinden. Die Mulattin Lisa Countryman, eine amerikanische Kulturanthropologin, wurde von ihren unverheirateten Eltern – japanische Mutter, dunkelhäutiger Vater – unmittelbar nach der Geburt in einem Waisenhaus deponiert, wo sie vier fürchterliche Jahre verbrachte. Die folgenden 25 Jahre lebte sie bei warmherzigen afroamerikanischen Adoptiveltern. Nach deren Tod und dem Abschluss ihres Studiums in Berkeley ging sie nach Tokio, vordergründig um als Hostess im Rotlichtbezirk für ihre Dissertation zu recherchieren, in Wahrheit jedoch, um ihre leibliche Mutter zu finden – und verschwindet einige Wochen später spurlos.

Unter Druck gesetzt von Lisas Adoptivschwester Susanne, die, wie sich später zeigt, auf ein fettes Erbe aus ist, begeben sich zwei Männer – der lebenslustige, opportunistische amerikanische Botschaftsangestellte Tom Hurley, halb Koreaner, halb Weisser, und der unglücklich geschiedene japanische Kriminalassistent Kenzo Ota, ein weltfremder Eigenbrötler, der einen Teil seiner Adoleszenz in Missouri verbracht hat – auf die Suche nach der Vermissten, werden jedoch immer wieder durch einschneidende Ereignisse aus der Bahn geworfen: Hurley verliebt sich erstmals ernsthaft in eine Frau, Julia Tinsley, die faszinierende Gattin eines CIA-Agenten, während Ota nach langer Zeit auf seine in Atlanta mit einem Amerikaner verheiratete Ex-Frau Yumika trifft, als sie wieder einmal ihr Heimatland besucht, und zwar mit ihrem dreizehnjährigen Sohn, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Auf verschlungenen Wegen kommen die beiden Ermittler der Wahrheit schliesslich immer näher, wobei der Leser stets einen kleinen Vorsprung hat, weil die Geschehnisse in längeren Einschüben auch aus Lisas Sicht geschildert werden.

In seinem weitgehend ohne dramatische Szenen auskommenden Roman vermittelt der stilsichere Autor dem Leser tiefe Einblicke in die Psyche seiner Protagonisten und die soziokulturellen Eigenheiten der japanischen Bevölkerung. 2005 erhielt er dafür den Edgar Allan Poe Award in der Kategorie „Best First Novel“.

Bibliografie:

‚Yellow‘ (Stories, 2001), ‚Country of Origin‘ – ’Wenn es Nacht wird in Tokio’ (2004), ‚Wrack and Origin‘ (2008), ‚The Collective‘ (2012), ‚Lonesome Lies Before Us‘ (2017), ‚The Partition‘ (Stories, 2022).