(*1958)

Sarah Schulman, geboren und aufgewachsen in New York City als Tochter eines Arztes und einer Sozialarbeiterin, entstammt einer Holocaust-Familie. Nach ihrer Ausbildung am Hunter College und an der University of Chicago mit einem Bachelor in Geisteswissenschaften des Empire State College in Saratoga Springs, New York, war sie Kellnerin, Bühnenarbeiterin, Sekretärin und Lehrerin, ehe sie als Aids- und LGBT-Aktivistin, Journalistin und Frauenrechtlerin tiefe Spuren hinterliess. Darüber hinaus hat sie das New Yorker Festival für schwul-lesbischen Experimentalfilm mitbegründet. Sie lehrt Geisteswissenschaften am College of Staten Island und am New York Institute for the Humanities, ist Mitbegründerin des New York Lesbian and Gay Experimental Film Festival und lebt in ihrer Geburtsstadt.

In den 80er-Jahren verfasste Schulman die Spannungsromane ‚Die Sophie Horowitz Story‘ und ‚Ohne Delores‘, zwei funkensprühende, in einer poetischen Sprache erzählte Milieustudien aus der lesbischen New Yorker Subkultur in der Lower East Side – Geschichten über kaputte Liebesbeziehungen und Einsamkeit in der Grossstadt. Schulmanns spitzer Feder sind zudem Sachbücher, Theaterstücke, Drehbücher sowie etliche nicht dem Krimigenre zuzurechnende Romane entflossen. Im Jahr 2018 gab sie mit ‚Maggie Terry‘ (‚Trüb‘) ein überraschendes Comeback als Krimiautorin.

‚Ohne Dolores‘ wird aus der Sicht einer namenlosen Kellnerin erzählt, die zuviel trinkt und kürzlich von ihrer Geliebten Dolores für eine jüngere Frau, die Fotografin Mary Sunshine, verlassen worden ist. Auf ihrem steinigen Weg zurück ins Leben trifft sie auf die Verwandlungskünstlerin „Priscilla Presley“, das blutjunge Go-Go-Girl Marianne, genannt Punkette, das wenig später ermordet wird, die faszinierende Schauspielerin Charlotte, die mit Punkette eine Affäre hatte, auf Charlottes Lebenspartnerin Beatriz und deren mit Drogen handelnden Teenager-Sohn Daniel, und wieder einmal auf ihre beste Freundin Coco Flores aus der Punkszene, die neuerdings als Friseuse arbeitet. Zufällig kommt sie bei ihren Streifzügen in den Besitz eines Revolvers. Soll sie damit ihre Konkurrentin Sunshine, Punkettes noch zu fassenden Mörder – oder vielleicht doch am besten gleich sich selbst erschiessen?

‚Trüb‘, erzählt in der dritten Person, gespickt mit ergreifenden inneren Monologen, spielt vom 5. bis 9. Juli 2017. Maggie Terry, drogen- und alkoholabhängige Ex-Polizistin beim NYPD, verlassen von ihrer Lebenspartnerin Frances, mit der sie eine kleine Tochter hatte, ist nach achtzehn Monaten Rehabilitation dank täglichen Besuchen von Treffen der Anonymen Alkoholiker und Narcotics Anonymous bisher trocken geblieben und wird dafür mit einer Stelle als Ermittlerin in der Kanzlei ihres ehemaligen Lehrers Mike Fitzgerald belohnt. Ihr erster Fall betrifft den Mord an der Nachswuchsschauspielerin Jamie Wagner, die, wie Maggie, einer schwer gestörten Familie entstammt. Dies ist der Rohstoff einer aufwühlenden Geschichte, die weniger als Krimi, denn als Abgesang auf die trübe Metropole New York mit ihren unbezahlbaren Mieten, ihrer Gentrifizierung, Frauen- und Ausländerfeindlichkeit und omnipräsenten Gewalt, als Abgesang auch auf das von einem Irren regierte Amerika (Maggie nennt ihn Orange) zu verstehen ist, in der indes auch komische Szenen und sarkastische Gedankenfetzen der Protagonistin ihren Platz haben.

Bibliografie:

‚The Sophie Horowitz Story‘ – ‚Die Sophie Horowitz Story‘ (1984), ‚After Delores‘ – ‚Ohne Delores‘ (1988), ‚Maggie Terry‘ – ‚Trüb‘ (2018).