(1927-2019)

Warren Adler wurde als Sohn einer jüdischen Familie in Brooklyn, New York City, geboren, wo er auch aufwuchs und an der Brooklyn Technical Highschool und der New York University ein Anglistikstudium absolvierte. Nach dem Creative-Writing-Studium an der New School for Social Research arbeitete er als Journalist bei der Zeitung ‚New York Daily News‘, später war er Redakteur des Wochenblatts ‚Queens Post‘, für das er jeweils die Kolumne ‚Pepper on the Side‘ beisteuerte. Während des Koreakriegs schrieb er für den Pressedienst der Army im Pentagon. Nach dem Krieg besass er eine Zeit lang vier Radiosender und eine Fernsehstation, ehe er sich in Washington, D.C., niederliess, um eine Werbeagentur zu gründen, mit der er unter anderem Nixons Wahlkampagne unterstützte und, nach dessen Wahl, als Berater der Nixon-Administration arbeitete. 1975 rief er das Magazin ‚Washington Dossier‘ ins Leben, in dem die sozialen und kulturellen Strukturen der amerkanischen Hauptstadt kritisch beleuchtet wurden.

Als er es sich finanziell leisten konnte, machte Adler, der schon mit fünfzehn Autor werden wollte und mit sechzehn seinen ersten (unveröffentlicht gebliebenen) Roman geschrieben hatte, im Jahr 1974 das Schreiben zum Hauptberuf. Sein Werk besteht aus rund vierzig Romanen (Krimis und Politromane, aber auch Familien-, Liebes- und Scheidungsdramen, darunter der mit Michael Douglas und Kathleen Turner verfilmte Bestseller ‚Der Rosenkrieg‘), sowie etlichen Gedichten, Essays, Kurzgeschichten und Drehbüchern. Darüber hinaus gab er Vorlesungen über Kreatives Schreiben und die Bedeutung des E-Books. Der Vater von drei erwachsenen Söhnen lebte mit seiner Frau Sonia, mit der er seit 1951 verheiratet war, in New York City und Jackson Hole, Wyoming. Dort gründete er die Jackson Hole Writer’s Conference, eine Organisation, die junge Autoren auf vielfältige Weise unterstützt.

Nur drei seiner schwarzhumorigen Krimis liegen in deutschen Übersetzungen vor: Das Einzelwerk ‚Die Macht im Nacken‘ und die beiden ersten Bände der Fiona FitzGerald-Serie – sie machen Lust auf die Lektüre weiterer Krimi dieses Meisters der Charakterzeichnung und der direkten Rede.

‚Die Macht im Nacken‘ beginnt mit einer gründlich misslungen Entführung durch islamische Extremisten im Nahen Osten: Anstelle des stellvertretenden US-Aussenministers kidnappen sie eine Touristin und ihren fünfjährigen Sohn, nicht wissend, dass es sich bei ihnen um Tochter und Enkel des mächtigsten amerikanischen Mafiabosses Salvatore „Padre“ Padronelli handelt. Um seine heissgeliebten Nachkommen freizubekommen, schmiedet der Padre einen durch seine Einfachheit bestechenden Plan: Er nimmt den US-Präsidenten und die First Lady im Weissen Haus als Geiseln – der ausgekochte CIA-Direktor Harkins, der sich mit dem Padre erstaunlich gut versteht, steht nun erst recht in der Pflicht. Obgleich die beiden geistesverwandten Ränkeschmiede schon bald zu ihrer Höchstform auflaufen, können sie nicht verhindern, dass die Welt an den Rand eines Abgrunds gerät.

Detective Sergeant Fiona FitzGerald von der Mordkommission des Metropolitan Washington Police Department MPD ist eine attraktive, toughe, intuitiv arbeitende Frau irischer Herkunft Anfang dreissig mit einem Master-Abschluss in Kriminologie, einem stark entwickelten Gerechtigkeitssinn und einem abwechslungsreichen Sexualleben; die einzige Frau im Mordezernat, das zu 80% schwarz ist; eine überzeugte Feministin, die immer wieder auf die falschen Männer reinfällt. Ihr Vater war ein angesehener Senator in Washington, D.C. (in den beiden ersten Bänden gab Adler ihm noch eine Vergangenheit als New Yorker Cop, auf Drängen der Filmindustrie nahm er später jedoch die Korrektur vor), sodass sie mit allen Facetten der von ihr verabscheuten Classe Politique vertraut ist, was ihr bei der Arbeit oft zugute kommt. Der feinfühlige Pathologe Dr. Benton als väterlicher Freund und Mentor und ihr direkter Vorgesetzter Captain Luther Greene, genannt die Pflaume, beide dunkelhäutig, sind ihre wichtigsten Bezugspersonen beim MPD, während ihre Partner im Verlauf der Reihe immer wieder wechseln. Fionas Mordfälle spielen sich zumeist in den oberen Schichten der amerikanischen Hauptstadt ab, die der Autor als einen Hort der Machtgier, Korruption, Manipulation, Egomanie, Heuchelei und grenzenlosen Niedertracht inszeniert – und als ein einziges offenes Ohr bezeichnet.

Der erste Band ‚Amerikanische Quartett‘, in dem ein durchgeknallter gescheiterter Politiker die Attentate auf die US-Präsidenten Abraham Lincoln (14. April 1865), James Garfield (2. Juli 1881), William McKinley (6. September 1901), und John F. Kennedy (22. November 1963) minutiös nachstellt, sich dafür jedoch zufällig verfügbarer Opfer bedient – die Taten werden exakt zum selben Zeitpunkt, am selben Ort, mit identischen Waffen und gleich vielen Schüssen wie jene an ihren Vorbildern durchgezogen – bringt die Cops der Mordkommission an den Rande der Belastbarkeit, bis ein Geistesblitz der Protagonistin ihnen schliesslich den Weg weist. Eine spannungsgeladene Geschichte, auch wenn der Mörder dem Leser schon früh kundgetan wird.

‚Amerikanisches Sextett‘ konfrontiert Fiona FitzGerald mit dem einige Fragen offenlassenden Suizid des wunderschönen, naiven Provinzgirls Dorothy Curtis, der ihr keine Ruhe lässt – war es nicht doch Mord?  In einem zweiten, zeitlich leicht versetzten Strang erfahren wir, dass der im Kern einigermassen integre, vom Leben zuletzt jedoch arg gebeutelte ‚Post‘-Journalist Jason Martin die junge Frau dazu benutzt hat, seine Laufbahn mit unzimperlichen Mitteln wieder in Schwung zu bringen: Als Werkzeug, um das ganze korrupte System – Weisses Haus, Senat, Repräsentantenhaus, Militär, Diplomatisches Corps und Oberster Gerichtshof: Amerikanisches Sextett – aus den Angeln zu heben. Doch dann überspannt er den Bogen, und die Katastrophe ist nicht mehr abzuwenden.

In den letzten Jahren holte sich Warren Adler die Rechte von fast all seinen Büchern zurück, um sie in der von ihm 1998 gegründeten ‚Stonehouse Press‘ in digitale Form zu bringen und so vor dem Vergessen zu bewahren. Er gab jährlich mindestens einen neuen Roman heraus, bis er im April 2019 91-jährig einer Krebserkrankung erlag.

Bibliografie:

Fiona FitzGerald-Serie: ‚American Quartet‘ – ‚Amerikanisches Quartett‘ (1981), ‚American Sextet‘ – ‚Amerikanisches Sextett‘ (1982), ‚Senator Love‘ (1991), ‚Immaculate Deception‘ (1991), ‚The Witch of Watergate‘ (1992), ‚The Ties That Bind‘ (1994), ‚Death of a Washington Madame‘ (2005), ‚Washington Masquerade‘ (2013), ‚Red Herring‘ (2016);

Einzelwerke: ‚Trans-Siberian Express‘ (1977), ‚The Casanova Embrace‘ (1978), ‚Blood Ties‘ (1979), ‚We Are Holding the President Hostage‘ – ‚Die Macht im Nacken‘ (1986), ‚Madeline’s Miracles‘ (1989), ‚Private Lies‘ (1991), ‚Cult‘ (2002), ‚Flanagan’s Dolls‘ (2010), ‚Residue‘ (2010), ‚The David Embrace‘ (2010), ‚Empty Treasures‘ (2010), ‚The Serpent’s Bite‘ (2012), ‚Target Churchill‘ (gemeinsam mit James C. Humes, 2013), ‚Treadmill‘ (2014), ‚Torture Man‘ (2015), ‚Mother Nile‘ (2016), ‚Heart of Gold‘ (2017), ‚Finding Grace‘ (2017), ‚High Noon in Hollywood‘ (2018), ‚The Norma Conquest‘ (2018), ‚Last Call‘ (2018).