(*1970)

Monika Geier wurde in Ludwigshafen am Rhein geboren und wuchs in einem streng katholischen Umfeld auf. Nach dem Architekturstudium an der Universität Kaiserslautern arbeitete sie als Diplom-Ingenieurin für Architektur. 1999 debütierte sie als Krimiautorin. Darüber hinaus ist sie freie Künstlerin, schreibt Hörspiele sowie die von ihr illustrierte Rubrik ‚Geiers Giftlabor‘ über giftige Pflanzen (2021 ist eine schöne Sammlung dieser Kolumnen unter dem Titel ‚Voll fiese Flora‘ im Argument-Verlag erschienen) und verrichtet mehrere kleine Jobs. Die alleinerziehende Mutter dreier Söhne lebt heute in einem grossen alten Haus mit wildem Garten in der Südwestpfalz. Sie ist Teil der feministischen Krimiautorinnen-Gruppe HERland, die sich für die Gleichberechtigung im Literaturbetrieb einsetzt.

Geiers Kriminalromane sind in der Reihe Ariadne des Argument-Verlags erschienen. Ihre Serienheldin ist die zu Beginn erst 28-jährige, dann in Echtzeit alternde – Kriminalkommissarin Bettina Boll vom Morddezernat Ludwigshafen. Die kluge, scharfsinnige, leicht chaotische, jedoch wohltuend „normale“ Frau kümmert sich nebenbei um ihre krebskranke jüngere Schwester Barbara und adoptiert nach deren Tod im zweiten Roman ihre Kinder Adrienno, genannt Enno, und Samantha-Sue, genannt Sammy. Die unprätentiösen, in verschiedenen fiktiven Ortschaften der pfälzischen Provinz angesiedelten Geschichten zeichnen sich aus durch ausgeklügelte, vielschichtige Plots, humorvolle Erzählweise, liebevoll gezeichnete Haupt- und Randfiguren und stimmungsvolle Milieuschilderungen. Zu den behandelten Themen gehören Diskriminierung, Rassismus, Flüchtlingspolitik, Korruption, Kinderhandel und -prostitution und andere Formen von Missbrauch. Es lohnt sich, die Romane chronologisch zu lesen.

‚Wie könnt ihr schlafen‘, der erste Band der mehrfach prämierten Serie, beginnt mit der Entdeckung der vergrabenen Leiche eines neugeborenen Kindes auf dem Anwesen der einflussreichen Familie Marquardt, wobei das Baby schon seit 20 bis 25 Jahren unter der Erde liegt. Bewohnt wird das Haus von dem feinsinnigen Bürgermeister Max Marquardt und seinem Neffen Marko, dem 25-jährigen Sohn des vor vielen Jahren an einer Frostschutzmittel-Vergiftung gestorbenen Frauenhelden Martin. Maria Linné, die sittenstrenge Schwester von Max und Martin, ist mit dem Dorfarzt verheiratet und hat zwei Töchter im Teenageralter: die angepasste Liliane und die widerspenstige Luzie. Bald stösst man in einem nahegelegenen Wald noch einmal auf sterbliche Überreste älteren Datums. Der Fall verwickelt sich zusätzlich durch das Auffinden von alten pornographischen Fotos in Martins Sekretär, auf denen eine schwer misshandelte junge Frau abgebildet ist. Als dann ein für seine Neugier bekanntes Ehepaar ermordet wird, kommen die Ermittlungen der Lösung einen grossen Schritt näher: Eine verhängnisvolle Kette von „verbotenen“ Affären, sexuellen Obsessionen, unerwünschten Schwangerschaften, Eifersucht und Erpressung scheint den Gewalttaten zugrunde zu liegen.

‚Neapel sehen‘ – ein schnörkelloser Mix aus Polizeiroman, psychologischer und soziologischer Studie – führt Bettina Boll in die Containersiedlung einer pfälzischen Kleinstadt, nachdem Aurelie Loor, eine attraktive, charakterlich schwer fassbare Biologie- und Sportlehrerin, sich bei einem seltsamen Sturz das Genick gebrochen hat. Im Dunstkreis der Toten bewegten sich drei Figuren: Katrina Klein, Aurelies kluge, frühreife Auszubildende – der einzige Lichtblick einer völlig verwahrlosten Familie; Wolfgang Antoni, ein dicklicher, unansehnlicher, zu impulsivem Verhalten neigender Ökologe, der mit Aurelie bis vor einigen Wochen eine eigenartige Affäre hatte; und Aurelies Wohngenossin Livia Giallo, verbitterte, alleinerziehende Mutter eines herzkranken kleinen Jungen. Den Schwerpunkt der Erzählung legt die Autorin dann weniger auf die (nicht viel mehr als eine Randnotiz bedeutende) Auflösung des Todesfalls, als vielmehr auf realistische, kurzweilige Schilderungen der Polizeiarbeit, die Entwicklung von grandiosen Psychogrammen – und die Beschreibung der letzten Tage im Leben von Bettinas Schwester Barbara, die sich mit ihren Kindern nach Neapel abgesetzt hat.

Durch die Doppelbelastung als Mutter und Kriminalkommissarin etwas ins Abseits geraten, hat Bettina Boll in ‚Stein sei ewig‘ einen seltsamen Fall am Hals, während ihre Kollegen sich auf der Jagd nach einem Serienmörder befinden. Mit ihrem Assistenten „Will“ Willenbacher soll sie vordergründig den Diebstahl von zwölf wertlosen Kunstwerken ermitteln, in Wahrheit aber undercover bei einem Angehörigen der Künstlergemeinschaft auf den Busch klopfen, dem umwerfend attraktiven Architekten Thomas Kussler, der im Verdacht steht, seine seit drei Jahren vermisste Frau ermordet zu haben. Als Bettina Boll an einer von Kussler organisierten Veranstaltung teilnimmt, wird das posierende Aktmodell erstochen, ohne dass jemand aus dem Publikum dies mitbekommt. Kurz danach wird am Dorfrand unter einer Skulptur ein Grab entdeckt, in dem sich die mehrere Monate alte Leiche eines männlichen Mordopfers befindet. Dies ist die Ausgangslage eines mit falschen Fährten und unerwarteten Wendungen gespickten Kriminalfalles, dessen Aufklärung der Kommissarin alles abverlangt.

‚Alles so hell‘ beginnt mit einem Eklat: Bettina Bolls Kollege und guter Freund Kriminalhauptkommissar Michael Ackermann wird von der jugendlichen Prostituierten Manga mit der eigenen Dienstwaffe erschossen, als er, gekleidet in einer Polizeiuniform, mit ihr zur Sache geht. Manga gelingt zunächst die Flucht, doch dann tötet sie zwei weitere Männer, einen LKW-Fahrer und den Schuldirektor Gutvatter in Höhbrücken, und wird gefasst. Handelt es sich bei ihr um Meggie, die vor zehn Jahren, mit sechs, aus Höhbrücken spurlos verschwand? Schnell wird klar: Dies ist ein Fall, der weite Kreise zieht, mit vielen Opfern und Tätern und mehreren involvierten Bundesländern. Ein Fall um Mädchenhandel und Zwangsprostitution – mit einem „Schrottplatz für ehemalige Kinderprostituierte“. Und es gibt einen Mann, vor dem alle Angst haben. Sie bezeichnen ihn als den „Richter“.

Ein afghanischer Flüchtling erhängt sich in seiner Gefängniszelle, nachdem der Sozialarbeiter Mojo Hansen, Leiter einer Selbsthilfegruppe für Suizidgefährdete, bei ihm eine Teufelsaustreibung versucht hat; in der Kirche schwärzt jemand die Jesusfigur am Marienaltar; und dann verschwindet Mojo. Dies ist die Ausgangslage im achten Band ‚Antoniusfeuer‘ – ein alter Begriff für Ergotismus, eine gefährliche Vergiftung durch in Migränemitteln und Getreidepilzen vorkommende Mutterkornalkaloide. Die Ermittlungen führen in das idyllische Dorf Frohnwiller, zu der gebeutelten Familie Rotas, bestehend aus Ina, ihrem seit Jahren im Rollstuhl sitzenden Sohn Manuel und ihrer zweijährigen Enkelin Alice, deren drogenabhängige Mutter zurzeit in einer Rehabilitationsklinik weilt. Inas zweite Tochter ist mit zwei Jahren gestorben, der Vater der drei Kinder hat sich längst aus dem Staub gemacht. Auch Bolls Privatleben läuft momentan gerade aus dem Ruder: Enno dealt offenbar mit Drogen, Nachbar Julius will ständig etwas von ihr, und ihr Vorgesetzter Hauptkriminalkommissar Willenbacher, in dessen Ehe es gewaltig kriselt, sucht und findet Unterschlupf in ihrem uralten, gruseligen Haus. Als Boll eine Verbindung zwischen Mojo und der seit drei Jahren vermissten Psychiaterin Katerin Polanski entdeckt, erhält der komplexe – um Glauben, Aberglauben, Dämonen und fehlgeleitete Mutterliebe kreisende – Fall eine weitere Dimension.

Bibliografie:

Kommissarin Bettina Boll-Serie: ‚Wie könnt ihr schlafen‘ (1999), ‚Neapel sehen‘ (2001), ‚Stein sei ewig‘ (2003), ’Schwarzwild’ (2007), ‚Die Herzen aller Mädchen‘ (2009), ‚Die Hex ist tot‘ (2013), ‚Alles so hell da vorn‘ (2017), ‚Antoniusfeuer‘ (2023);

Einzelwerk: ‚Müllers Morde‘ (2011).