(*1949; schreibt auch unter dem Pseudonym C.W. Diaz)
Geboren im südwestenglischen Dorset als Sohn eines U-Boot-Fahrers, aufgewachsen in Südafrika, wo er die Grundschule absolvierte und seinen Militärdienst leistete, kehrte John Fullerton 1973 nach England zurück, um eine journalistische Laufbahn einzuschlagen und diesen Beruf dann dreissig Jahre mit viel Herzblut auszuüben, neunzehn Jahre davon für die Agentur Reuters. Er berichtete unter anderem über den Bürgerkrieg im Libanon, den Afghanistankrieg, den ersten Golfkrieg und den Balkankonflikt sowie, nach 9/11, aus Pakistan und Afghanistan. Weitere Stationen waren Hong Kong, Indien, Kairo und London. Darüber hinaus unterrichtete er angehende Journalisten, war Dozent für Kreatives Schreiben an der Leicester University, und veröffentlichte eine Reihe von Spannungsromanen sowie, im Jahr 1984, das Sachbuch ‘The Soviet Occupation of Afghanistan’, nachdem er im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan zwei Jahre für den britischen Geheimdienst MI6 spioniert hatte.
Nach berufsbedingten Aufenthalten in 40 Ländern schloss Fullerton im Jahr 2010 ein Studium der Buddhismuskunde an der University of Sunderland mit einem Master-Titel ab, löschte daraufhin seine Website, verstummte als Autor und pendelte zwischen London und Südostasien. 2019, sechs Jahre nach dem Krebstod seiner Frau, kehrte er zum Schreiben zurück. Der Vater von drei Kindern – zwei sind erwachsen, das dritte ist deutlich jünger – lebt heute in Schottland und unterstützt die Grüne Partei dieses Landes. Er schreibt ein lesenswertes Blog.
Fullertons vier zwischen 1996 und 2006 erschienene Politthriller kreisen um reale Konflikte (Balkankrieg, War On Terror nach 9/11, Bürgerkrieg in Beirut, Apartheid), die er hautnah erlebt hatte. Ein weitere Roman, ‘Clap’, mit dem Schauplatz Kuba ist im Jahr 2000 unter dem Pseudonym J.W. Diaz erschienen.
Sein bekanntester Roman ‘Das Affenhaus’ spielt im verwüsteten Sarajewo des Winters 1993/94, als die bosnisch-herzegowinische Hauptstadt unter Dauerbeschuss durch die serbischen Armeen steht. In einer von Serben bewohnten, despektierlich als “Affenhaus” bezeichneten Mietkaserne am Rand der Stadt ist eine Polizei-Informantin (eine heroinsüchtige serbische Zahnärztin) grausam ermordet worden. Nacelnik Rosso, der pflichtbewusste und instinktsichere Chef der von Bosniern dominierten Kriminalpolizei, verbeisst sich in den Fall, den ausser ihm keinen Menschen zu interessieren scheint – eine Mordermittlung in einer Stadt, die voll von Leichen ist, behelfsmässig vergrabenen, verwesenden Körpern, an denen sich die ausgesetzten Hunde gütlich tun. Bei seinen Recherchen gerät Kommissar Rosso – Sohn eines berüchtigten kroatischen Nazi-Kollaborateurs, Ehemann der tief gefallenen, im Krieg zur Alkoholikerin gewordenen Intellektuellen Sabina, Ziehvater der todesmutigen 19-jährigen Krankenschwester Tanya – in die Grabenkämpfe der unversöhnlichen bosnischen, serbischen und kroatischen Milizen, an denen auch Heckenschützen, Nutten, UNO-Soldaten, Kriegskorrespondenten, Betrüger, Schwarzmarkthändler und anderes Strandgut, das jeder Krieg mit sich bringt, teilhaben. Eine wichtige Rolle spielt Rossos Intimfeind Luka, ein verkrüppelter, charismatischer Gangsterboss, gleichzeitig aber auch eine unverzichtbare Waffe der Bosnier im Guerillakrieg gegen die Serben. ‘Das Affenhaus’, Fullertons erster und einziger ins Deutsche übersetzte, mit prägnantem Personal aufwartender Krimi, zeichnet ein beklemmendes Bild der langsam vor sich hin sterbenden Stadt Sarajewo und ihrer zwischen Hass und Fatalismus schwankenden, von Hunger und Kälte gequälten Bevölkerung.
Bibliografie:
Einzelwerke: ‘The Monkey House’ – ‘Das Affenhaus’ (1996), ‘A Hostile Place’ (2003), ‘Give Me Death’ (auch unter dem Titel ‘This Green Land’, 2004), ‘White Boys Don’t Cry’ (2006), ‘The Reticent Executioner’ (2019), ‘Emperor’ (2022);
Brodick Cold War Thriller: ‘Spy Game’ (2019), ‘Spy Dragon’ (2021), ‘Spy Trap’ (2022).
Als J.W. Diaz: ‘Clap’ (2000).