(*1952)
Geboren 1952 im Red River Valley, Minnesota, als Angehörige der Anishinaabe White Earth Reservation, studierte Marcie Rendon Strafrecht und American Indian Studies an der Minnesota State University in Moorhead und Human Development an der Saint Mary’s University of Minnesota in Minneapolis. Sie schreibt Gedichte, Songtexte, Bühnenwerke und Kinderbücher, tritt als Performancekünstlerin auf, unterstützt indigene Kulturschaffende, engagiert sich als kulturpolitische Aktivistin, gibt Schreibkurse in Gefängnissen – und hat bisher zwei 1970/71 spielende Krimis für Erwachsene vorgelegt, deren deutsche Übersetzungen im Ariadne-Programm des Argument Verlags erschienen sind. Die mehrfach preisgekrönte Autorin und mehrfache Grossmutter lebt in Minneapolis.
Rendons 19-jährige indigene Hauptfigur Renee “Cash” Blackbear, Tochter eines unbekannten Vaters und einer alkoholabhängigen Mutter, aufgewachsen in ungezählten weissen Pflegefamilien, ist einzigartig: Trinkfeste Schwerarbeiterin auf den Feldern von Fargo am Red River, dem Grenzfluss zwischen Minnesota und North Dakota, Kettenraucherin, abgezockte Pool-Billard-Spielerin – und kluge, empfindsame, instinktsichere Amateurdetektivin mit dem wortkargen Sheriff Wheaton als väterlichem Freund. Sie hat ein Gewehr, eine .22er und einen Truck. Und eine eigene Wohnung, in die sie gelegentlich Kerle aus den Bars abschleppt. Die Schimpfwörter, mit denen man sie belegt – “Rothaut” ist noch eines der netteren -, beachtet sie längst nicht mehr. Cash die Unbeugsame. Feinfühlig, mit einer grossen Portion derbem Humor schildert die Autorin Cashs Kampf gegen Unterdrückung und Gewalt, gegen die Ungerechtigkeit, die den Native People Tag für Tag widerfährt.
Im ersten Band ‘Am roten Fluss’ liegt der Farmarbeiter Day Dodge, Vater von sieben Kindern, erstochen in einem Feld des Reservats Red Lake. In der folgenden Nacht trinkt die Mutter sich zu Tode. Während die beiden kleinsten Kinder von einer Tante aufgenommen werden, verstecken sich die älteren (drei Knaben und zwei Mädchen, etwa neun- bis fünfzehnjährig), um nicht auseinandergerissen und bei weissen Familien zwangsplatziert zu werden. Cash findet sie im Wald, versucht zu helfen. Dann geschieht ein weiterer Mord, diesmal ist es ein weisser Junge, Landarbeiter wie Day Dodge. Als Cash bei ihren Schnüffeleien den Tätern näher rückt, wird sie zusammengeschlagen und entführt, doch sie weiss sich zu behaupten. Die Hintergründe der Verbrechen erweisen sich dann als erschreckend trivial – und sind auch nicht das eigentliche Thema des sich prioritär mit alltäglichem Rassismus und Sexismus befassenden Romans. In ihren Anmerkungen informiert die Autorin über die bis in die 1970er-Jahre gängigen Versuche, indianischen Kindern ihren tradionellen Lebensstil auszutreiben.
Ein Jahr später, in ‘Stadt, Land, Raub’, schuftet Cash noch immer auf den Feldern der “amerikanischen Kornkammer”. In ihrer Freizeit bestreitet sie Pool-Wettkämpfe; und studiert seit kurzem Psychologie und Biologie am Moor State Head College. Als dort eine Studentin seit mehreren Tagen vermisst wird, bittet Sheriff Wheaton sie, sich an der Uni ein wenig umzuhören. Dies ist bereits das zweite Mädchen, das spurlos verschwindet, beide blond und hübsch, gut in der Schule und noch nie von zuhause weggelaufen. Eines Nachts erlebt Cash eine grosse Überraschung: Ihr älterer Bruder, den sie zuletzt mit drei gesehen hat, taucht am Red River auf. Er wurde damals adoptiert, diente bis vor wenigen Tagen in Vietnam, nennt sich Mo (abgeleitet von Geronimo) und lässt sich nun in Cashs Appartment nieder. Er ist ein netter, hilfsbereiter junger Mann und wie Cash ein leidenschaftlicher Pool-Spieler. Seine Flashbacks unterdrückt er mit Gras und Unmengen Bier. Dann gerät Cash in einen Hinterhalt, wird eingesperrt in einen düsteren Raum, wo sie auf zutiefst verstörte blonde Mädchen trifft…
Bibliografie:
Cash-Romane: ‘Murder on the Red River’ – ‘Am roten Fluss’ (2017), ‘Girl Gone Missing’ – ‘Stadt, Land, Raub’ (2019).
“Am roten Fluss”: sehr empfehlenswert