(*1962: schreibt auch unter dem Kürzel Bateman)
Colin Bateman kam in in dem nordirischen Städtchen Newtownards, County Down, zur Welt und wuchs in der Küstenstadt Bangor, am Südufer der Bucht von Belfast, auf, während in der nordirischen Haupstadt der Bürgerkrieg tobte. Nach einem Fellowship in Journalismus an der Oxford University arbeitete er bereits mit siebzehn für das Wochenmagazin ‘County Down Spectator’. 1995 erschien sein erster Roman.
Sein Werk besteht aus 35 Romanen für Erwachsene und Kinder und etlichen Theaterstücken. Seit 2006 legt er den Schwerpunkt aufs Drehbuch-Schreiben. Zuletzt verfasste er das autobiografisch geprägte Bühnenwerk ‘Nutcase’ um den (seinem Sohn nachempfundenen) schizophrenen Teenager Sean (2021) und die Kindheitserinnerungen ‘Thunder and Lightning’ (2022). Bateman lebt mit seiner Frau Andrea und dem 1995 geborenen Sohn Matthew in Bangor.
Der versoffene Journalist Dan Starkey, Held einer funkelnden, schwarzhumorigen, aus zehn Bänden bestehenden Serie, ist ein ausgewiesener Kenner der Punkmusik mit loser Zunge und spitzer Feder. Er schreibt schnoddrige Kolumnen für ein Belfaster Blatt und führt seit drei Jahren eine feuchtfröhliche Ehe (“trinken, tanzen, lachen”) mit der impulsiven Schönheit Patricia. Einem amerikanischen Gast gibt er Folgendes mit auf den Weg: “Bleiben Sie bei der Bezeichnung Nordirland, auch wenn Sie schon mal andere Varianten hören. Falls Sie Loyalist sind, dann nennen Sie es Ulster, als Nationalist sprechen Sie vom Nördlichen Irland oder von den Sechs Counties, und wenn Sie zur englischen Regierung gehören, ist es nur die Provinz.” Oder: ” Wir haben die niedrigste Verbrechensrate in England. Es sei denn, man zählt alle Toten mit.”
‘Eine Nonne war sie nicht’ ist der seltsame deutsche Titel des ersten Starkey-Thrillers ‘Divorcing Jack’. Was mit einer ziemlich banalen Ehekrise beginnt – Patricia erwischt ihren Mann bei einem Techtelmechtel mit der Studentin Margaret und wirft ihn kurzerhand aus der Wohnung -, entwickelt sich zu einer undurchsichtigen Mordgeschichte, als Margaret kurz danach in ihrem Bett erschossen wird. Um seine Seele reinzuwaschen, nimmt Dan die Ermittlungen selbst in die Hand. Einzige Hinweise sind Margarets mit letzter Kraft geflüsterte Silben “Divorce… Jack…” – gemeint hat sie Dvorak, wie sich herausstellt. Die Täter sind offenbar hinter einem Tonband mit Musikaufnahmen von Dvorak her, das Margaret einige Tage zuvor von ihrem für die derzeit stärkste Partei arbeitenden Vater untergejubelt worden ist. Dann kommt’s knüppeldick für Dan: Man schiesst auf ihn, Patricia wird entführt, Margarets eben erst aus dem Knast freigelassenen Ex-Freund Cow Pat Coogan lässt seine Muskeln spielen, Lee Morgan, eine bewaffnete, als Nonne verkleidete Krankenschwester, mischt ebenfalls tatkräftig mit, und ein CIA-Agent beisst ins Gras. Die wild wuchernde Geschichte mit dem designierten neuen Regierungschef Brinn im Zentrum einer Intrige, die der gebeutelten Region den Rest geben könnte, mündet in ein insgesamt erbauliches Finale, auch wenn das Blut in Strömen fliesst.
‘Der Engel mit der Rosenschere’ hält für Dan eine ausserordentliche Herausforderung bereit: Er soll den irischen Schwergewichtsboxchampion Bobby “Fat Man” McMaster – ein ausgeglichener, belesener, frisch verheirateter Romantiker – und dessen Entourage zum hochdotierten Titelkampf mit Mike Tyson (!) begleiten, der an St. Patrick’s Day (!) im New Yorker Madison Square Garden (!) stattfinden soll, und dann ein Buch darüber schreiben. In einem Seitenstrang behandelt Bateman auch diesmal wieder Dans vor dem Aus stehende Ehe mit Patricia, die von einem verheirateten Typen schwanger ist. Doch dann, nach einer köstlichen Pressekonferenz, in der Fat Man frisch von der Leber weg Rede und Antwort steht, überschlagen sich die Ereignisse: Die schwarze Terrorgruppe “Sons of Muhammad” behauptet, McMaster habe die afroamerikanische Bevölkerung beleidigt und droht mit Vergeltung, und auch die IRA und ein schwules Kollektiv hat der Champ gegen sich aufgebracht. Da verschwindet seine Frau Mary, worauf sogar der krisenerprobte Journalist an seine Grenzen stösst. Gelingt es ihm, den “Jahrhundert-Fight” vor dem Aus zu bewahren?
Ein namenloser hypochondrischer, kindischer, feiger und selbstgefälliger, von Dutzenden Phobien geplagter Nerd, der in Belfast höchst erfolglos die (tatsächlich existierende) Krimibuchhandlung “Kein Alibi” betreibt, ist der Ich-Erzähler der so genannten Mystery-Man-Serie. Er bezeichnet sich als literarischen Partnervermittler – Menschen mit den richtigen Büchern zusammenzubringen, ist sein grösstes Anliegen. Seine detektivische Ader entdeckt er, als ein Nachbar, der Privatschnüffler Carlyle, eines Tages verschwindet – und offensichtlich ein Vakuum hinterlässt. Der Student Jeff, aktives Mitglied einer Amnesty-International-Ortsgruppe, unterstützt ihn halbherzig bei seinen Aktivitäten, später gesellt sich die hübsche, scharfzüngige Comiczeichnerin Alison, die im Juweliergeschaft gegenüber arbeitet, als Assistentin (und bald auch als gelegentliche Geliebte) hinzu. Knackige Sprüche, Verweise auf gute (Lawrence Block, Walter Mosley, Jim Thompson, W.R. Burnett, Robert B. Parker) und weniger gute (James Patterson, Henning Mankell, John Grisham) Autoren und der humorvolle Stil sorgen für heitere Lesestunden. Pfichtlektüre für Buchhändler und Leute, die es werden wollen!
Im ersten und besten Band der kleinen Reihe, ‘Ein Mordsgeschäft’ – Mord, Anarchie und verdammt heisse Hosen’, erledigt der Mystery Man zuerst ein paar lustige, harmlose Aufträge, ehe seine kriminalistischen Fähigkeiten erstmals so richtig auf den Prüfstand kommen: in dem “Fall der jüdischen Musikanten”, der damit beginnt, dass die Gattin eines Verlegers von ihrem Besuch der Frankfurter Buchmesse nicht mehr nach Nordirland zurückkehrt. Die Spur führt zu einer hochbetagten jüdischen Musikerin, die 1944 in Auschwitz interniert war und sich jetzt, nach über sechzig Jahren, dazu durchringen kann, ihre Lebensgeschichte von dem Mann der Vermissten in Buchform bringen zu lassen – ein Projekt, das nicht überall auf Begeisterung stösst, wie es die rasch wachsende Zahl von verdächtigen Todesfällen in ihrer Umgebung unterstreicht. Zu guter letzt enthüllt der Held seine Ergebnisse dem Publikum in Form einer schicken PowerPoint-Präsentation.
‘Hundeelend’ – Spione, Graffiti und verdammt tote Köter’ beginnt für den Mann ohne Namen mit einer Überraschung, die ihn schier aus den Socken haut: Alison ist in der sechsten Woche schwanger. Und er der Erzeuger. Sagt sie zumindest. So weit so gut, in erster Linie gilt es nun, den äusserst lukrativen “Fall des schwanzköpfigen Mannes” abzuhaken – auf YouTube gibt es eine Videosequenz mit Billy Randall, dem steinreichen Betreiber einer Billigfluglinie, auf dessen Stirn ein gesprayter Pimmel samt zugehörigen Eiern prangt. Die Adresse der jungen Hobbyfilmer ausfindig zu machen und an Randall weiterzuleiten, ist pure Routine. Doch dann werden die beiden umgebracht, Randall hat ein Alibi, und der Namenlose gerät unter Tatverdacht. Die Karten werden indes neu gemischt, als die Penisvideo-Affäre fliessend übergeht in einen Fall, bei dem ein ausgestopfter Jack-Russell-Terrier der Freundin eines der Mordopfer gestohlen wird – ein Hund, der dem Polizeichef von Nordirland gehört hat! Jeff wird entführt, und im Buchladen erscheint ein MI5-Agent, um das Stofftier zu behändigen. Die Lösung der wilden, nicht immer plausiblen Story kommt bei der chaotischen Beerdigung der beiden Unglücksraben ans Licht.
Bibliografie:
Dan Starkey-Serie: ‘Divorcing Jack’ – ‘Eine Nonne war sie nicht’ (1995), ‘Of Wee Sweetie Mice and Men’ – ‘Der Engel mit der Rosenschere’ (1996), ‘Turbulent Priests’ (1999), ‘Shooting Sean’ (2001), ‘The Horse with My Name’ (2002), ‘Driving Big Davie’ (2004), ‘Belfast Confidential’ (2005), ‘Nine Inches’ (2011), ‘Fire and Brimstone’ (2013), ‘The Dead Pass’ (2014);
Martin Murphy-Krimis: ‘Murphy’s Law’ (2002), ‘Murphy’s Revenge’ (2005);
Mystery Man-Serie: ‘Mystery Man’ – ‘Ein Mordsgeschäft’ (2009), ‘The Day of the Jack Russell’ – ‘Hundeelend’ (2009), ‘Dr. Yes’ – ‘Vollnarkose’ (2010), ‘The Prisoner of Brenda’ (2012);
Standalones: ‘Cycle of Violence’ (1995), ‘Empire State’ – ‘Nachtwächter im Empire State’ (1997), ‘Maid of the Mist’ (1999), ‘Mohammed Maguire’ (2001), ‘Wild About Harry’ (2001), ‘Chapter and Verse’ (2003), ‘I Predict A Riot’ (2007), ‘Orpheus Rising’ (2008), ‘Paper Cuts’ (2016).