(*1963)

Thomas Gerald Franklin wurde in der Kleinstadt Dickinson, Alabama, als Sohn eines Automechanikers geboren und wuchs dort in einfachsten Verhältnissen auf. 1981 zog die Familie in die Hafenstadt Mobile, wo er ein Englischstudium an der University of South Alabama absolvierte und mit einem Bachelor abschloss. Um sein Studium zu finanzieren, jobbte er in einer Fabrik für Sandstrahlgut, einer Entsorgungsanlage für chemischen Müll und in der Leichenhalle eines Krankenhauses. 1998 erwarb er einen Master in Fiction Writing an der University of Arkansas in Fayetteville, danach unterrichtete er dieses Fach an verschiedenen Universitäten. Ende der 90er-Jahre liess er sich mit seiner Frau, der Lyrikerin und Dozentin Ann Beth Fennelly, die er an der Uni kennengelernt hatte, in Oxford, Mississippi nieder und lehrt seither als ausserordentlicher Professor Fiction Writing an der University of Mississippi. Sie haben drei Kinder.

Nach der Geschichtensammlung ‚Poachers‘ (‚Wilderer‘) und den grandiosen historischen Romanen ‚Hell of Breech‘ (‚Die Gefürchteten‘), eine exquisite Mischung aus Western und Country Noir, und ‚Smonk‘, eine funkensprühende Geschichte über zügellose Gewalt und religiösem Wahn, veröffentlichte Franklin 2010 ‚Crooked Letter, Crooked Letter‘ (‚Krumme Type, krumme Type‘), ein komplexer, tieftrauriger Roman über Rassismus und (rassenunabhängige) Vorurteile. Drei Jahre danach erschien der gemeinsam mit seiner Frau verfasste Roman ‚The Tilted World‘ (‚Das Meer von Mississippi‘), dessen Hintergrund die verheerende – die Südstaaten betreffende – Flutkatastrophe vom Frühjahr 1927 bildet.

‚Die Gefürchteten‘ spielt in den Jahren 1897/98 in dem gottverlassenen, von bettelarmen Baumwollfarmern und Schwarzbrennern bewohnten Landstrich Mitcham Beat, Clarke County, wo der alte Sheriff Billy Waite nur noch halbherzig für Recht und Ordnung sorgt, und beruht teilweise auf dem Mitchum War. Katalysator des grausamen Konfikts ist die versehentliche Tötung des anständigen Ladenbesitzers und angehenden Politikers Arch Bensole durch die früh verwaisten Brüder Burke, der 15-jährige Mack und der drei Jahre ältere William. Dies führt dazu, dass Archs zwielichtiger Cousin Tooth Bensole mit verzweifelten Farmern die Hell-at-the-Breech-Gang gründet, angeblich um sich an den Grossgrundbesitzern zu rächen und sämtliche Schwarze zu vertreiben – Gegner der Bewegung werden umgebracht. Der Sheriff reisst sich noch ein letztes Mal zusammen, doch dann, engagiert durch den heuchlerischen Country-Richter Oscar York (Waites Cousin), erscheint der Hitman Ardy Hart auf der Bildfläche, und die Karten werden neu gemischt.

‚Smonk‘, die wüste, im frühen 20. Jahrhundert in Alabama und Louisiana angesiedelte Geschichte des monströsen Verbrechers Eugene Oregon Smonk – eine kleinwüchsige, einäugige, syphilitische und schwindsüchtige Ausgeburt des Teufels -, ist auch sonst mit bizarren Figuren gesegnet: Die 15-jährige männermordende Prostituierte Evavangeline, der einfältige, feige Sheriff Phail Walton mit seinen christlischen Deputies und seinem schwarzen Bodyguard Ambrose, der hinterhältige alte Schmied Portis Gates, der eigene Pläne verfolgt, und der Gerichtsdiener McKissick, ein Mann mit übler Vergangenheit, dessen zwölfjährigen Sohn Smonk vermutlich entführt hat. Dass Smonk wohl nicht mehr lange zu leben hat, erfährt man bereits im ersten Kapitel – er soll am Ende eines wahnwitzigen Schauprozesses gelyncht werden. Doch Smonk hat den Braten längst gerochen, richtet mit seiner Killerbande Chaos und Verwüstung an und ergreift die Flucht aus der „Stadt der Witwen“. In seinem Vorwort beschreibt der Verleger Frank Nowatzki, wie es dazu kam, dass ‚Smonk‘ und ‚Krumme Type, krumme Type‘ im Pulp Master Verlag erscheinen konnten, nachdem ‚Die Gefürchteten‘, herausgegeben bei Heyne, im deutschsprachigen Raum keine nenneswerte Beachtung fand.

‚Krumme Type, krumme Type‘ spielt auf zwei 25 Jahre auseinanderliegenden Zeitebenen in dem erfundenen Kaff Chabot i Bundesstaat Mississippi. Larry Ott, weiss, pummelig, unbeholfen, als Zwölfjähriger bereits die Romane von Stephen King verschlingend, und Silas Jones, schwarz, mutig, ein talentierter Baseballspieler, bilden den Mittelpunkt. Die beiden Aussenseiter waren 1982, mit sechzehn, einen Sommer lang gute Freunde, bis Larrys gleichaltrige Nachbarin Cindy Walker spurlos verschwand. Ihre Leiche wurde nie gefunden, doch alle wandten sich daraufhin von „Scary Larry“ ab. 25 Jahre später lebt Larry noch immer in Chabot. Er hat die kaum mehr frequentierte Autowerkstatt seines im Suff gestorbenen Vaters übernommen, seine demente Mutter ist im Pflegeheim. Und jetzt kehrt Silas in den Ort seiner Kindheit zurück – als Cop. Als die 19-jährige Studentin Tina Rutherford entführt, vergewaltigt und ermordet wird, zweifelt kein Mensch daran, dass Larry ein zweites Mal zugeschlagen hat, selbst als bekannt wird, dass er mit schweren Schussverletzungen komatös im Krankenhaus liegt. Silas Jones, der seinerzeit geheim gebliebene Schuld auf sich geladen hat, beginnt zu ermitteln, in der Hoffnung, seinen alten Freund, mit dem ihn mehr verbindet, als er weiss, zu rehabilitieren. Kunstvoll verwebt Franklin Vergangenheit und Gegenwart, schildert auf unprätentiöse Art, was es bedeutet, in einem öden, durch Rassenhass und Gewalt zerrissenen Südstaatennest aufzuwachsen, und erweist sich als Meister der einfühlsamen Figurenzeichnung.

Bibiliografie:

Poachers‘ – ‚Wilderer‘ (Stories, 1999), ‚Hell at the Breech‘ – ‚Die Gefürchteten‘ (2003), ‚Smonk‘ – ‚Smonk‘ (2006), ‚Crooked Letter, Crooked Letter‘ – ‚Krumme Type, krumme Type‘ (2010).

Mit Beth Ann Fennelly: ‚The Tilted World‘ – ‚Das Meer von Mississipi‘ (2013).