(*1952)
Lia Matera wurde als Tochter italienischer Einwanderer in Vancouver, Kanada, geboren und zog als Siebenjährige mit ihren Eltern in die nordkalifornische Kleinstadt Eureka. In den 70er-Jahren studierte sie Englische und Italienische Literatur an der University of California in Santa Cruz. Anschliessend ging sie an das Hastings College of Law in San Francisco, wo sie nebenbei die Fachzeitschrift ‘Constitutional Law Quarterly’ redaktionell betreute. Nach Abschluss des Jurastudiums 1981 unterrichtete sie Moot Court (Fiktives Gericht) und Legal Research (Juristische Recherche) an der Stanford Law School, bis sie sich Mitte der 80er-Jahre, nach der Geburt ihres Sohnes, gegen eine Laufbahn als Anwältin entschied und an ihrem Wohnort Santa Cruz zum Krimischreiben wechselte. 1987 bzw. 1988 startete sie ihre beiden Serien, in denen die erfolgreichen und selbstbewussten, sonst aber recht gegensätzlichen Anwältinnen Willa Jansson bzw. Laura Di Palma im Mittelpunkt stehen.
Willa Jansson, lebensfrohe Tochter von Hippies der ersten Stunde, spezialisiert auf Familien- und Wirtschaftsrecht, arbeitet in einer der renommiertesten Kanzleien von Los Angeles, lebt in einem luxuriösen Appartment, trägt teure Klamotten – doch sie kifft und sehnt sich im Grunde nach ihrem früheren, nonkonformistischen Leben als Politaktivistin. Im vierten Roman ‘Altlasten’ ist es soweit: Willa kehrt dem Yuppie-Dasein den Rücken und tritt in San Francisco eine Stelle als Schriftführerin bei dem liberalen Bundesrichter Michael J. Shanna an. Bald aber tauchen alte Weggefährten auf, Willa gerät in eine üble Intrige, weiss nicht mehr, wem sie vertrauen kann.
Laura Di Palma ist kinderlos geschieden. Sie machte sich einen Namen als kämpferische Pro-Bono-Anwältin bei einer angesehenen Kanzlei in San Francisco, verliert jedoch den Job im zweiten Band. Mit ihrem Liebhaber Hal, einem verbitterten, kriegsversehrten Vietnamveteran, zieht sie sich in die Wälder Nordkaliforniens zurück, um ihre Batterien aufzuladen. Zu Beginn des dritten Bandes ‘Harte Bandagen’ erscheint indes ihr alter Freund Sandy Arkelett auf der Bildfläche, ein Privatdetektiv, mit dem sie früher in San Francisco zusammengearbeitet hat, und bittet sie um Hilfe bei der Aufklärung eines höchst merkwürdigen Falles von Selbstmord. Als am Ende der Erzählung ihre Beziehung zu Hal zerbricht, geht Laura zurück nach San Francisco, um eine eigene Kanzlei zu eröffnen.
In ihren zwölf sorgfältig gebauten Krimis fesselt die sprachlich versierte, politisch links stehende Autorin den Leser mit einfühlsamen Schilderungen der Haupt- und Nebenfiguren und der vielschichtigen Beziehungen zwischen ihnen, während die Darstellung der Rechtsfälle nur wenig Raum einnimmt.
Im Jahr 2000 veröffentlichte Lia Matera den Sammelband ‘Counsel of the Defense and Other Stories’ mit neun Kriminalerzählungen, unter ihnen ‘Dream Lawyer’, in der Willa Jansson und Laura Di Palma aufeinandertreffen. 2014/15 führte sie ein Blog über Spannungsliteratur (liamatera.com/blog). Seither hat man nichts mehr von ihr gehört.
Bibliografie:
Willa Jansson-Serie: ‘Where Lawyers Fear to Tread’ – ‘Studentenfutter’ (1987), ‘A Radical Departure’ – ‘Facelifting’ (1988), ‘Hidden Agenda’ – ‘Mörderische Kanzlei’ (1988), ‘Prior Convictions’ – ‘Altlasten’ (1991), ‘Last Chants’ – ‘Dunkle Gesänge’ (1996), ‘Star Witness’ – ‘Geheime Zeugen’ (1997), ‘Havana Twist’ – ‘Havanna Twist’ (1998);
Laura Di Palma-Serie: ‘The Smart Money’ – ‘Lauras teuerster Fall’ (1988), ‘The Good Fight’ – ‘Der aufrechte Gang’ (1990), ‘Hard Bargain, – ‘Harte Bandagen’ (1992), ‘Face Value’ – ‘Blindes Vertrauen’ (1994), ‘Designer Crimes’ – ‘Designermorde’ (1995).
Treffend zugespitzt: “Wir freuen uns, dass Lia Matera den Kampf gegen die Juristerei zu ihren Gunsten hat entscheiden können.” (Thomas Wörtche, kaliber .38)
In “Studentenfutter”, ihrem erstem Krimi (1987), steckt Lia noch mitten in diesem Kampf-Getümmel: Die Hauptperson Willa ist Chefredakteurin einer juristischen Fach- und Hochschulzeitschrift, wie auch die Autorin selber es war, und in der Redaktion geschieht eine Kette von Morden. Diese Geschichte sollte nur lesen, wer noch über die Muße des Studentenlebens verfügt; ohne sie habe ich jedenfalls schnell den Überblick verloren, in diesem dicht bevölkerten Intrigenstadel des Campuslebens voller Karriere-orientierter Student/innen.
Mir ist dabei eine Wahrheit wieder eingefallen, die Jura-Studienkolleg*innen gern erzählten, um ihr Fach zu beschreiben: In der Bibliothek welches Fachbereichs werden die meisten Bücher geklaut? Na?
Ganz anders erging es mir mit den “Dunklen Gesängen” (1996), eine Geschichte, die in kalifornischen Wäldern auf einem altem Indianergebiet spielt. Lia Matera gelingt es hier, den schmalen Grat zwischen der – damals neuen – Computer-Programmierung und so etwas wie einem wissenschaftlichen Schamanen zu einer tatsächlich tragfähigen und spannenden Erzählung zu verweben, die auch mich als Atheist überzeugt. So ähnlich hat es das in den 1980/90ern, am Ende der Alternativökonomie, tatsächlich gegeben. Ein Gesang, der lange in den Ohren nachklingt!