(*1947)
Juan Madrid kam in der andalusischen Stadt Malaga zur Welt und lebt seit 1969 in Madrid, wo er Literatur und Geschichte studierte. 1972 graduierte er an der Universität Salamanca in Moderner und Zeitgenössicher Geschichte und lehrte dann diese Fächer an der Universität Madrid. Aufgrund seiner marxistischen Gesinnung sass er unter General Franco im Gefängnis. Kurz nach seiner Freilassung begann er zu schreiben. Er ist einer der einflussreichsten Vertreter der “nueva novela negra”. Sein Werk umfasst über vierzig Titel – zweiundzwanzig Krimis, zehn Kinderbücher, sechs Bände mit Novellen und Kurzgeschichten, zwei Sachbücher zu politischen Themen und ein Reisebuch über den Amazonas, ferner Skripts zu der berühmten, 1989/90 in vierzehn Folgen ausgestrahlten spanischen Fernsehserie ‘Brigada Central’ und zu anderen Filmen. Von 1973 bis 1993 arbeitete als Polizeiberichterstatter für die unabhängige linke Wochenzeitung ‘Cambio 16’. Darüber hinaus unterrichtete er Prosa- und Drehbuchschreiben an spanischen, französischen und lateinamerikanischen Institutionen.
Vier Krimis (drei Toni Romano-Titel und der grandiose Standalone ‘Nichts zu machen) sind den 80er-Jahren ins Deutsche übertragen und im Elster Verlag herausgegeben worden. Menschen, die am Rande der Gesellschaft lebend unter den kapitalistischen Ausbeutern leiden, Korruption als Basis des Systems – dies sind die zentralen Themen des Autors, der Bert Brechts Werk als wichtigen Einfluss nennt. “Es ist das gleiche, eine Bank zu gründen, wie eine Bank auszurauben” ist das Leitmotiv für seine Literatur.
Acht Romane des ehemaligen Boxers Juan Madrid – “Ich war bestimmt der einzige Boxer, der Kafka gelesen hat” – drehen sich um den lizenzlosen Gelegenheitsdetektiv, Ex-Boxchampion und Ex-Bullen Antonio Carpintero, genannt Toni Romano, eine trotz ihrer Verwandtschaft mit Sam Spade und Philip Marlowe eigenständige Figur, die sich im nächtlichen Madrids auskennt wie kein zweiter. Er lebt in einer schäbigen 1-Zimmer-Wohnung in der Nähe der zentral gelegenen Puerta del Sol, ist stets abgebrannt, hat Pech mit Frauen. Ein abgebrühter, unpolitischer Typ, der für seine Freunde durchs Feuer geht und immer wieder Schläge einstecken muss. Grosse Schnauze mit einer Vorliebe für derbe, lakonische Sprüche. Eine tragende Rolle spielt natürlich auch die Madrider Altstadt mit ihren düsteren Treppenhäusern und trostlosen Spelunken, mit ihren Spitzeln, Dealern, Strichjungen und Zuhältern, ihren Huren für 50 Pesetas, einsamen Säufern und linken Intellektuellen. Menschen aus dem Schattenreich. Der erste Roman spielt in der brüchigen Zeit zwischen Francos Tod im November 1975 und dem misslungenen Putsch durch Colonel Tejeiros im Februar 1981, der zweite Band kurz danach. Einzig für seine (offenbar bewusst) stereotyp gezeichneten Frauen (femmes fatales mit knackigen Kurven) muss der Autor sich ein paar Abzüge gefallen lassen.
Madrids schnörkellose, actiongeladene Novela Negra ‘Nichts zu machen’ ist die Geschichte des gealterten Ganoven Silverio Roca – breite Schultern, weisse Haare, kalte Augen. Er war ein gefragter Fahrer – Banküberfälle, Transporte gefährlicher Ware -, bis man ihn in eine Falle lockte. Nach zwei Jahren Gefängnis wieder auf freiem Fuss, kehrt er in die spanische Hauptstadt zurück, um seinen einstigen Komplizen die zwei Millionen Pesetas abzuknöpfen, die sie ihm noch schulden. Nicht darauf gefasst, dass er damit die gesamte Madrider Unterwelt gegen sich aufbringt. Doch Roca denkt nicht dran, klein beizugeben. Er besorgt sich eine Urrutia mit abgesägtem Doppellauf und macht sich auf den Weg. Die Geschichte wurde 1988 durch Geraldo Herrero verfilmt und kam unter dem Titel ‘Al Acecho’ in die Kinos.
Bibliografie:
Toni Romano-Serie: ‘Un beso de amigo’ – ‘Ein freundschaftlicher Kuss’ (1980), ‘Las aparencias no enganan’ – ‘Der Schein trügt nicht’ (1981), ‘Regalo de la casa’ – ‘Ein Geschenk des Hauses’ (1986), ‘Cuentas pendientes’ (1995), ‘Mujeres & mujeres’ (1996), ‘Grupo de noche’ (2002), ‘Adios princesa’ (2008), ‘Bares nocturnos’ (2009);
Einzelwerke: ‘Nada que hacer’ – ‘Nichts zu machen’ (1984), ‘Viejos amores’ (1993), ‘Tanger’ (1997), ‘Restos de carmin’ (1999), ‘Gente bastante extrana’ (2001), ‘Pajaro en mano’ (2007), ‘Les hombres mojados no temen la lluvia’ (2013), ‘Perros que duermen’ (2017), ‘Gloria bendita’ (2020);
‘Brigada Central-Trilogie: ‘Flores, el gitano’ (2010), ‘Asuntos de rutina’ (2011), ‘El hombre de reloj’ (2011)