(1928-1999; schrieb auch als Robert MacLeod, Noah Webster und Michael Kirk
Bill Knox, geboren und aufgewachsen in Glasgow als Sohn eines Sportredakteurs, kam bereits mit sechzehn Jahren zum Journalismus und spezialisierte sich in den folgenden Jahren auf Polizei- und Gerichtsreportagen. 1950 heiratete er Myra, die zwei Töchter und einen Sohn zur Welt brachte. 1957 veröffentlichte er den ersten seiner über sechzig Krimis.
Seine bedeutendste Krimiserie dreht sich um die befreundeten Glasgower Polizisten Colin Thane (Ex-Boxer und Familienvater) und Phil Moss (drahtiger Junggeselle) von der Scottish Crime Squad in Glasgow, zwei integre, hartnäckige, stets gründliche Arbeit verrichtende Ermittler, zu denen sich später der Motorrad-Freak Francey Dunbar und die schöne Sandra Craig gesellen. Moss wird gegen Ende der Reihe Willen zu seinem Verdruss in die Dienststelle Strathclyde versetzt, arbeitet aber weiterhin gelegentlich an Thanes Fällen mit. Die für eine besonders realistische Darstellung von Polizeiarbeit bürgende Reihe – Knox liess die Manuskripte stets von Polizisten gegenlesen – erstreckt sich über einen Zeitraum von nicht weniger als 42 Jahren, in dem die Cops nur leicht verzögert altern.
Knox’ zweiter Serienheld Webb Carrick, ein pflichtbewusster Junggeselle Ende zwanzig und exzellenter Taucher, ist etwas farblos geraten. Als leitender Angestellter des Scottish Fisheries Protection Service (der Fischereischutz ist in Schottland offenbar mit einer Küstenwache vergleichbar) – er ist Erster Offizier des von James Shannon kommandierten Kreuzers “Marlin”, bis er im drittletzten Band die Führung eines Patrouillenboots übernimmt – legt er zusammen mit dem schlagkräftigen Haudegen und Schürzenjäger William „Clapper“ Bell und anderen Besatzungsmitgliedern allerlei zwielichtigen, die schottische Inselwelt unsicher machenden Gesellen das Handwerk, überlebt zahlreiche Mordanschläge stets nur knapp und verliebt sich in jedem Roman in eine nette Frau, ohne dass daraus jemals etwas Festes wird.
Im Mittelpunkt von drei weiteren, ursprünglich unter dem Pseudonym Robert MacLeod (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen amerikanischen Westernautor) erschienenen Reihen stehen Talos Cord, ein in New York ansässiger Troubleshooter der UNO (sechs Titel); Andrew Laird, der als Ermittler für eine Londoner Schiffsversicherung Seeschadensfälle regelt (sechs Titel); und Jonathan Gaunt, ein international tätiger Detektiv des Queen’s and Lord Treasurer’s Remembrancer’s Office (zehn Titel) im Mittelpunkt.
Talos Cord verbrachte die ersten Lebensjahre in Schanghai, wo seine Eltern kurz vor dem Zweiten Weltkrieg nach der japanischen Invasion getötet wurden. Der UNO-Beamte Andrew Beck adoptierte ihn später und nahm ihn auch beruflich unter seine Fittiche. Cord, ein intellligenter junger Mann, verabscheut Gewalt, zögert jedoch nicht, seine Waffe zu zücken, wenn es die Situation erfordert. Burma, eine fiktive ostafrikanische Republik, die Insel Borneo, Marokko, die Schweiz und Südfrankreich sind die Schauplätze.
Andrew Laird, ein kluger, facettenreicher Endzwanziger mit schottischen Wurzeln, stand unmittelbar vor dem Ende seines Medizinstudiums, wurde dann jedoch nicht zu den Abschlussexamina zugelassen, weil er seine unheilbar kranke Mutter von ihren Leiden erlöst hatte. Er jobbte daraufhin als Matrose und Funker auf verschiedenen Schiffen, bis er die Stelle bei einer Versicherung annahm. Seine gefährlichen Fälle, hinter denen natürlich stets weitaus mehr steckt als zunächst angenommen, führen ihn nach Mallorca, Kopenhagen, Jersey, in die marokkanische Hafenstadt Safi, ein portugiesisches Fischerdorf und an die Costa del Sol.
Auch Jonathan Gaunt ist ein Ermittler mit Sonderaufgaben – er erledigt Aufträge für die schottische Schatzkammer in ganz Europa. Gaunt war sechs Jahre Fallschirmjäger, bis er einen üblen Unfall erlitt. Kurz danach reichte seine Frau die Scheidung ein, worauf er sich beim Amt des Schatzkämmerers um eine Stelle bewarb, um fortan eine ruhige Kugel zu schieben – eine verhängnisvolle Einschätzung, wie er erfahren muss, als er zum ersten Mal zusammengeschlagen wird. Immerhin kommt der coole robuste Detektiv bei der Arbeit immer wieder in Kontakt mit schönen Frauen, die flüchtigen Affären nicht abgeneigt sind.
Der Autor verfasste zudem acht Einzelwerke, einen Kurzgeschichtenband und ein Buch über berühmte Gerichtsfälle. Von 1976 bis 1988 moderierte er die True-Crime-Sendung ‘Crime Desk’ für das schottische Fernsehen. Er verbrachte die weitaus meiste Zeit in seiner Heimatstadt und starb dort mit 71 Jahren. Sein letzter Roman ‘The Lazarus Widow’ wurde durch den bei uns unbekannten Krimiautor Martin Edwards vervollständigt.
Als Einstieg in Knox’ Werk eignen sich die weitgehend ungekürzten und ordentlich übersetzten Thane & Moss-Titel ‘Der Mann in der Flasche’ und ‘Die Tote vom Loch Lomond’ (der letzte auf Deutsch vorliegende Band der Reihe), ‘Mord auf Malta’ (der zweite Teil der Gaunt-Serie) und ‘Giftige Fracht’ mit Laird als Hauptfigur.
Bibliografie:
Als Bill Knox:
Colin Thane & Phil Moss-Serie: ‘Deadline for a Dream’ (auch unter dem Titel ‘In at the Kill’) – ‘Aus sicherer Quelle’ (1957), ‘Death Department’ – ‘Drei Paar Nylonstrümpfe’ (1959), ‘Leave I to the Hangman’ – ‘Ferngespräch nach Rom’ (1960), ‘Little Drops of Blood’ – ‘Kleine Blutstropfen’ (1962), ‘Sanctuary Isle’ (auch unter dem Titel ‘The Gray Sentinels’) – ‘Spanische Dukaten’ (1962), ‘The Man in the Bottle’ – ‘Der Mann in der Flasche’ (1963), ‘A Tast of Proof’ – ‘Whisky floss in Strömen’ (1965), ‘The Deep Fall’ (auch unter dem Titel ‘The Ghost Car’) – ‘Blutgruppe B’ (1966), ‘Justice on the Rocks’ – ‘Gangsterschlacht in Glasgow’ (1967), ‘The Tallyman’ – ‘Der Halsabschneider’ (1969), ‘Children of the Mist’ (auch unter dem Titel ‘Who Shot the Bull’) – ‘Dynamit in falschen Händen’ (1970), ‘To Kill a Witch’ – ‘Ins Feuer mit der Hexe’ (1971), ‘Draw Batons!’ ‘auch unter dem Titel ‘Penalty Shootout’) – ‘Das Spiel wird ernst’ (1973), ‘Rally to Kill’ – ‘Rallye ins Jenseits’ (1975), ‘Pilot Error’ – ‘Der Fehler des Piloten’ (1977), ‘Live Bait’ – ‘Whisky macht das Kraut nicht fett’ (1978), ‘A Killing in Antiques’ – ‘Der Tod des Sargmachers’ (1981), ‘The Hanging Tree – ‘Mit falschen Etiketten’ (1983), ‘The Crossfire Killings’ – ‘Die Tote vom Loch Lomond’ (1986), ‘The Interface Man’ (1989), ‘The Counterfeit Killers’ (1996), ‘Blood Proof’ (1997), ‘The Lazarus Widow’ (fertig gestellt durch Martin Edwards, 1999);
Webb Carrick-Serie: ‘The Scavengers’ – ‘Gefährliche Fracht’ (1964), ‘Devilweed’ – ‘Vergiftete Austern’ (1966), ‘Blacklight’ – ‘Ins Netz gegangen’ (1967), ‘The Klondyker’ (auch unter dem Titel ‘A Figurehead’) – ‘Mord ist kein Gentleman-Delikt’ (1968), ‘Blueback’ – ‘Das Barometer steht auf Sturm’ (1969), ‘Seafire’ – ‘Der Kontakt ist unterbrochen’ (1970), ‘Stormtide’ – ‘Sturmflut’ (1972), ‘Whitewater’ – ‘Gefährliche Fanggründe’ (1974), ‘Hellspout – ‘Das Grab an der Westküste’ (1976), ‘Witchrock’ – ‘Der Hexenfels’ (1977), ‘Bombship’ – ‘Tödliche Fracht’ (1980), ‘Bloodtide’ – ‘Makrelen und Mord’ (1982), ‘Wavecrest’ – ‘Seefahrt bringt Tod’ (1985), ‘Dead Man’s Mooring’ (1987), ‘The Drowning Nets’ (1991);
Standalones: ‘The Cockatoo Crime’ – ‘Auf verschneiten Strassen’ (1958), ‘Death Calls the Shots’ – ‘Sendestörung auf Kanal 15’ (1961), ‘Die for Big Betsy’ – ‘Schlafwagen nach Glasgow’ (1961), ‘The Drum of Ungara’ (auch unter dem Titel ‘Drum of Power’) – ‘Das magische Zeichen’ (1963), ‘Children of the Water’ (1974), ‘Country Club Wives’ (1997) ‘A Cut in Diamonds’ (1997), ‘Death Bytes‘ (1998).
Als Robert MacLeod:
Talos Cord-Serie: ‘Cave o Bats’ (1964), ‘Lake of Fury’ (auch unter dem Titel ‘The Iron Sanctuary’) – ‘Das Geheimnis vom Calu-See’ (1966), ‘Isle of Dragons’ – ‘Insel der Drachen’ (1967), ‘Place ofMists’ – ‘In den Tälern des Atlas’ (1969), ‘Path of Ghosts’ (1971), ‘Nest of Vultures’ – ‘Das Geiernest’ (1973);
Jonathan Gaunt-Serie (in den USA als Noah Webster): ‘A Property in Cyrus’ – ‘Ein Mord wird versteigert’ (1970), ‘A Killing in Malta’ – ‘Mord auf Malta’ (1972), ‘A Burial in Portugal’ – ‘Das maurische Kartell’ (1973), ‘A Witchdance in Bavaria’ – ‘Am Aschermittwoch ist alles vorbei’ (1975), ‘A Pay-off in Switzerland’ – ‘Zahlbar in der Schweiz’ (1977), ‘An Incident on Iceland’ – ‘Zwischenfall auf Island’ (1979), ‘A Problem in Prague’ – ‘Die rote Witwe’ (1982), ‘A Legacy from Tenerife’ – ‘Die Spur nach Teneriffa’ (1984). ‘The Money Mountain’ (auch unter dem Titel ‘A Flight from Paris’, 1987), ‘The Spanish Maze Game’ (1990);
Andrew Laird-Serie (in den USA als Michael Kirk): ‘All Other Perils’ – ‘Schüsse auf Mallorca’ (1974), ‘Dragonship’ – ‘Drachenschiff’ (1976), ‘Salvage Job’ – ‘Gestrandet vor der Bucht’ (1976), ”Cargo Risk’ – ‘Frachtbetrug’ (1980), ‘Mayday from Malaga’ – ‘Giftige Fracht (1983), ‘Witchline’ (1988).
Bill Knox kam aus einem Reporter-Elternhaus und war selber sein halbes Leben lang Reporter gewesen. Er ermittelte auf der Straße und schrieb tagesaktuelle genaue Print-Nachrichten aus dem prallen Leben Glasgows, bevor er sich – mit genau demselben professionellen Anspruch – dem Krimi-Schreiben zuwandte. Das bedeutet, knackige Milieuschilderungen, nicht im Sinne von “Schöner Wohnen”, sondern wie sie in einer demokratischen Tageszeitung stehen könnten: alle Bevölkerungsschichten treten auf, darunter auch viele Arbeiter, gerade wenn es um Hafenstädte und Glasgow geht. Aber auch in den weitläufigeren Landstrichen seiner schottischen Heimat, z. B. “Die Tote vom Loch Lomond”, kommt es zu Verbrechen aus Habgier.
Wenn ich mit einem soliden Krimi der “guten alten Zeit” entspannen will, dann bin ich von Bill Knox bisher nie enttäuscht worden. Die Reihe des Krimikommissars Colin Thane kommt etwas sehr “beamtig” daher. Wer das mag, kommt garantiert auf seine Kosten. Ich habe die Achtung vor einer Polizeigewerkschaft wieder gewonnen, die tatsächlich noch das allgemeine gewerkschaftliche Selbstverständnis der arbeitenden Bevölkerung verkörperte (während sie heute leider ihren gewerkschaftlichen Namen in sein Gegenteil verkehrt hat).
Noch mehr angetan haben es mir seine beiden Schiffs-Inspektor-Reihen, Webb Carrick vom Kreuzer des schottischen Fischereischutzes und Andrew Laird, ein Versicherungsdetektiv für Schiffahrtsschäden und dem dabei allfälligen hochkriminellen Betrug, der im Ausland nah am verunglückten Schiff ermittelt.
Die farbigen Geschichten der Fischer, ihrer Boote und Navigationskünste, ihrer Häfen und Händel sind heute, ein halbes Jahrhundert später, auch schon zu historischen Romanen geworden! Denn die fabrikmäßige Grundnetzschlepperei hat nicht nur die Fische und die Meeressäuger, sondern auch die Fischer zum Verschwinden gebracht. Damit verschoben sich auch die polizeilichen Aufgaben von dem seinerzeitigen Fischereischutzkreuzer, der die Händel durch rasante Manöver vor Schottlands zerklüfteten Küsten dingfest machte, zum heutigen Schiff der Küstenwache (wie ich es kürzlich etwa an der Einfahrt in die Elbe liegen sah) mit einer nur noch beobachtenden Funktion.
Oder wer könnte, in der Tradition des Bill Knox, heute einen Polizeiroman über Grundnetzschlepper, Öltanker und Containerriesenfrachter schreiben?
Wie ich gerade sehe, sind drei der Webb Carrick-Bände sogar die weitaus populärsten Bücher des Autors überhaupt (die Titel Stormtide/Sturmflut, Seafire/’Kontakt unterbrochen’ und Whitewater/Fanggründe brachten es auf je 20-28 Buchausgaben, wie der Bibliotheksverband OCLC Worldcat aufschlüsselt).
Ich stimme Flubow zu, dass der Serienheld nicht gerade schillert – außer wenn er mit den interessantesten der klugen Frauen zusammenarbeitet oder mit seinen sportlichen Glanzleistungen gegen die Schurken kämpft: Webb Carrick ist der 2. Mann neben dem ausgesprochen knorrigen Kapitän Shannon, der als ein weiterer Held dieser populären Serie figuriert.
Livestyle war damals in Krimis noch unbekannt, es geht hier um das Team! Der Autor, die Serie und ihre Helden kommen aus der Zeit, da die Fußballmannschaft noch den Libero hatte, und genau dieser ist Webb Carrick – der Libero des aktiven Fischereischutzes, da die Regierung noch die Ressourcen schützte und auf dem Meer präsent war (Michael Drewniok).