(1909-1984)
Chester Himes kam als Sohn einer angesehenen schwarzen Mittelklassefamilie in Jefferson City, Missouri, zur Welt. Sein Vater unterrichtete Schmiedekunst und Metallhandwerk an einer Berufsschule, seine Mutter war eine Zeit lang ebenfalls als Lehrerin tätig. Die Familie liess sich Anfang der 20er-Jahre in Cleveland, Ohio, nieder, wo Himes die Highschool abschloss. Nach einem kurzen Gastspiel an der Ohio State University – Himes wollte eigentlich Medizin studieren, vertrieb sich die Zeit jedoch vornehmlich mit Glücksspiel, Alkoholkonsum und Bordellbesuchen – wurde er im Alter von neunzehn wegen bewaffneten Raubüberfalls zu 20 bis 25 Jahren Haft bei harter Arbeit in das Staatsgefängnis von Ohio eingewiesen. Beeinflusst von Dashiell Hammetts Werk verfasste er dort seine ersten Stories, die in verschiedenen Zeitschriften abgedruckt wurden. 1936 kam er auf freien Fuss.
Im Jahr 1937 heiratete er Jean Johnson und ging drei Jahre später nach Kalifornien, um dort in der kriegsbedingt blühenden Werftindustrie zu arbeiten. 1945 veröffentlichte er seinen ersten Kriminalroman ‘Flieh, wenn du kannst’, der von allen Seiten scharf kritisiert wurde. Himes, der sich in den USA immer weniger verstanden fühlte, Unmengen Alkohol trank und ständig in argen Geldnöten steckte, verliess 1953 seine Frau, zog geradezu fluchtartig nach Paris – und avancierte in Frankreich schon bald zum Kultautor. Die letzten fünfzehn Lebensjahre verbrachte er mit seiner zweiten Frau, der Engländerin Lesley Packard, im südspanischen Moraira, wo er 75-jährig starb. Seine Autobiografie ist in zwei Teilen unter den Titeln ‘The Quality of Hurt’ (1972) und ‘My Life of Absurdity’ (1976) erschienen.
Mit seinen absurd-realistischen Harlem-Romanen um die knochenharten schwarzen Cops Coffin Ed Johnson (sein Gesicht ist von einem Säureattentat schwer entstellt) und Grave Digger Jones ist es Himes wie kaum einem anderen gelungen, einen Mikrokosmos – das Getto von Harlem) – detailreich, dicht und expressionistisch darzustellen, brutale Handlungen slapstickartig in Szene zu setzen und den alltäglichen Wahnsinn auf den Strassen einer amerikanischen Grossstadt zu dokumentieren. Darüber hinaus hat er mit seinen Antihelden Coffin Ed und Grave Digger zwei sehr originelle und komplexe Figuren erfunden; zwei Figuren, die Tag für Tag mit dem Widerspruch leben müssen, das Gesetz des weissen Mannes zu vertreten, ohne hierbei der diskriminierten, in den Slums von Harlem ums Überleben kämpfenden schwarzen Bevölkerung ein Mindestmass an Gerechtigkeit vorzuenthalten.
Von Krankheit schwer gezeichnet, konnte Chester Himes sein letztes Werk nicht mehr ganz beenden: das wilde, apokalyptische Vermächtnis ‘Plan B’, auf dessen letzter Seite Coffin Ed Johnson und Grave Digger Jones von Kugeln durchlöchert in der Gosse liegen.
Bibliografie:
Harlem-Zyklus: ‘A Rage in Harlem’ (auch unter dem Titel ‘For Love of Imabelle’) – ‘Die Geldmacher von Harlem’ (1957), ‘The Real Cool Killers’ – ‘Heisse Nacht für kühle Killer’ (1958), ‘The Crazy Kill’ – ‘Fenstersturz in Harlem’ (1959), ‘The Big Gold Dream’ – ‘Der Traum vom grossen Geld’ (1959), ‘Run, Man, Run’ – ‘Lauf Mann, lauf!’ (auch unter dem Titel ‘Lauf, Nigger, lauf’, 1959) ‘All Shot Up’ – ‘Harlem dreht durch’ (auch unter dem Titel ‘Rauhnacht in Harlem’, 1960), ‘The Heat’s on’ (auch unter dem Titel ‘Come Back Charleston Blues’) – ‘Heroin für Harlem’ (1961), ‘Cotton Comes to Harlem’ – ‘Schwarzes Geld für weisse Gauner’ (1964), ‘Blind Man with a Pistole’ (auch unter dem Titel ‘Hot Day, Hot Night’) – ‘Blind, mit einer Pistole’ (1969), ‘Plan B’ – ‘Plan B’ (1993; Erstausgabe unter dem französischen Titel ‘Lieu Commun’, 1983);
Einzelwerke: ‘If He Hollers Let Him Go’ – ‘Flieh, wenn du kannst’ (1945), ‘Lonely Crusade’ (1947), ‘Yesterday Will Make You Cry’ (auch unter dem Titel ‘Cast the First Stone’, 1952), ‘The Third Generation’ – ‘Mrs. Taylor und ihre Söhne’ (1954), ‘The Ebd of a Primitive’ (auch unter dem Titel ‘The Primitive’, 1955), ‘Pinktoes’ – ‘Schwarze Glut’ (auch unter dem Titel ‘Schwarzer Samt in heissen Nächten’, 1961), ‘A Case of Rape’ (1963).