(Kürzel für Leonard Cyril Deighton, *1929)

Len Deighton kam in London als Sohn englisch-irischer Eltern zur Welt. Sein Vater arbeitete als Chauffeur und Mechaniker, seine Mutter als Köchin in einem Hotel. Nach der Schulzeit an der Marylebone Grammar School in London war Deighton kurze Zeit bei der Bahn angestellt, bevor er zweieinhalb Jahre als Fotograf bei der Royal Air Force diente. Daraufhin besuchte er von 1949 bis 1952 die St. Martin’s School of Art in London, anschliessend drei Jahre die Londoner Kunstakademie. Während und nach dem Studium arbeitete er als Kellner, Konditor, Steward der British Overseas Airways Corporation, Lehrer, Fabrikmanager, Pressefotograf und Illustrator. 1960 war er Art Director einer Londoner Werbeagentur.

Nach seiner Heirat mit der Illustratorin Shirley Thompson im Jahr 1960 lebte Deighton auf einer Farm in Irland und in Portugal, bevor er sich in Südfrankreich, auf der Ile de Porquerolles, niederliess, um an seinem ersten Roman ‚Ipcress‘ zu arbeiten. In dieser Zeit schrieb er auch Kochrezepte für den Londoner ‚Observer‘, und 1965 veröffentlichte er sein erstes Kochbuch ‚Action Cockbook‘, das vor allem bei Junggesellen beliebt war. 1969 verliess er England und pendelte mit seiner zweiten Frau, der niederländischen Diplomatentochter Ysabele, zwischen Südkalifornien, Österreich, Portugal, Frankreich und Irland. Ihre beiden Söhne kamen in den 70er-Jahren auf die Welt.

Von 1962 bis 1996 verfasste Deighton 27 Spionageromane. Den Durchbruch schaffte er mit der sechsteiligen Serie um einen anonymen, der Arbeiterschicht entstammenden britischen Geheimdienstagenten aus Burnley, der in den Verfilmungen den Namen Harry Palmer erhielt. Im zweiten Band ‚Fische reden nicht‘ wollen Harry Palmer und seine Freundin Charlie in einem malerischen portugiesischen Fischerdorf ein wenig ausspannen; doch dann wird eine Leiche nach der anderen an Land gespült, die Anschläge auf sein Leben häufen sich – Harry muss zum Rechten schauen. ‚Das Milliarden-Dollar-Gehirn‘, der vierte Teil der Harry Palmer-Serie, eine kunstvoll gebaute Geschichte mit fein gezeichneten Haupt- und Nebenfiguren, handelt von einer haarsträubenden neofaschistischen, von einem alten texanischen General angezettelten Verschwörung.

‚Brahms Vier‘ und ‚Geködert‘ sind die herausragenden Titel der drei in den letzten Jahren des Kalten Krieges spielenden Trilogien um Bernard Samson, einen Geheimagenten des Secret Intelligence Service (SIS), der als Ich-Erzähler auftritt. Sein Vater Brian, auch er ein britischer Spion, war nach dem Zweiten Weltkrieg, den er undercover in Deutschland verbrachte, in Berlin stationiert, sodass Bernard an deutschen Schulen ausgebildet wurde und perfekt Deutsch spricht; sein bester Freund Werner Volkmann lebt in Berlin. Bernie Samson, ein Mann Mitte vierzig von recht zweifelhaftem Charakter, legt sich immer wieder mit seinen Vorgesetzten an und wird deshalb bei Beförderungen meist übergangen.

Am Ende des ersten Bandes ‚Brahms Vier‘, in dem Samson einem äusserst wichtigen, hinter dem Eisernen Vorhang operierenden britischen Agenten mit dem Decknamen „Brahms Vier“ zur Flucht verhelfen soll, bevor dieser von der Stasi aus dem Verkehr gezogen wird, wird der zweifache Familienvater von seiner (seit zwölf Jahren ohne sein Wissen als Spionin tätigen) Frau Fiona sitzengelassen: Sie läuft zum kommunistischen Feind über und überlässt die Kinder, Sally und Billy, ihrem Mann.

Im ersten Band der zweiten Trilogie  ‚Geködert‘ ist eine grosse Summe aus der Hauptkasse des SIS spurlos verschwunden, Bernie Samson, der seit kurzem mit der 22-jährigen Schönheit Gloria zusammenlebt, soll sich der Sache annehmen. Doch dann mehren sich die Hinweise, dass Fiona mit dem Verschwinden des Geldes etwas zu tun hat – benutzt man Bernie bloss als Köder? Oder wird Bernie geködert? (Im Fortgang des Dreiteilers erfährt Samson schliesslich auch die Hintergründe des Abtauchens seiner Frau – mehr soll hier nicht verraten werden.)

Die dritte, bisher leider nicht auf Deutsch vorliegende Samson-Trilogie endet offen, was die Zukunft von Bernie, Fiona und ihren beiden Kindern betrifft.

Die neun Bernard Samson-Romane bilden eine in sich geschlossene Geschichte des Kalten Krieges und dessen seelenlosen Protagonisten mit ihren von Machtgier, Überlebenskampf und Paranoia getriebenen Ränkespielen. Eindrucksvoll bringen sie die Stärken des stilistisch brillanten Autors zur Geltung: Liebe zum Detail, kenntnisreiche Darstellung des in der Regel nicht sonderlich spannenden Alltags von Geheimdienstleuten, feine Ironie und Konstruktion verwickelter, jedoch immer einleuchtender Plots um authentisches, vorwiegend der englischen Unterschicht entstammendes Personal.

Len Deighton brachte überdies ein Dutzend Standalones (darunter mehrere um den Zweiten Weltkrieg kreisende Bücher) sowie etliche Kurzgeschichten, Reisebücher und Sachbücher über das Kochen und den Zweiten Weltkrieg zu Papier. Der äusserst medienscheue Schriftsteller, dessen letzter Krimi 1996 erschienen ist, lebt mit seiner Frau Ysabele in Portugal und auf der Kanalinsel Guernsey.

Bibliografie:

‚Harry Palmer‘-Serie: ‚The IPCRESS File‘ – ‚Ipcress – Streng geheim‘ (1962), ‚Horse Under Water‘ – ‚Fische reden nicht‘ (1963), ‚Funeral in Berlin‘ – ‚Finale in Berlin‘ (1964), ‚Billion-Dollar Brain‘ – ‚Das Milliarden-Dollar-Gehirn‘ (1966), ‚An Expensive Place to Die‘ – ‚Tod auf teurem Pflaster‘ (1967), ‚Spy Story‘ – ‚Eiskalt‘ (1974);

Bernard Samson-Serie: Erste Trilogie: ‚Berlin Game‘ – ‚Brahms Vier‘ (1983), ‚Mexico Set‘ – ‚Mexiko-Poker‘ (1984), ‚London Match‘ – ‚London Match‘ (1985); zweite Trilogie: ‚Spy Hook‘ – ‚Geködert‘ (1988), ‚Spy Line‘ – ‚Gedrillt‘ (1989), ‚Spy Sinker‘ – ‚Gelinkt‘ (1990); dritte Trilogie: ‚Faith‘ (1994), ‚Hope‘ (1995), ‚Charity‘ (1996);

Standalones: ‚Only When I Larf‘ – ‚Komm schon Baby, lach dich tot‘ (1968), ‚Bomber‘ – ‚Bomber‘ (1970), ‚Close-Up‘ – ‚Nahaufnahme‘ (1972), ‚Yesterday’s Spy‘ – ‚Nagelprobe‘ (1975), ‚SS-GB‘ – ‚SS-GB‘ (1978), ‚Twinkle, Twinkle, Little Spy‘ (auch unter dem Titel ‚Catch a Falling Spy‘) – ‚Sahara-Duell‘ (1976), ‚XPD‘ – ‚XPD – das Hitler-Protokoll‘ (1981), ‚Goodbye, Mickey Mouse‘ – ‚Goodbye für einen Helden‘ (1982), ‚Winter‘ – ‚In Treu und Glauben‘ (1987), ‚MAMista‘ – ‚MaMista‘ (1991), ‚City of Gold‘ – ‚Kairo‘ (1992), ‚Violent Ward‘ (1993).