(Ursprünglich Richard Patrick Russ, 1914-2000)

Richard Patrick Russ wurde als zweitjüngstes von neun Kindern eines deutsch-stämmigen Arztes in Chalfont St. Peter, Buckinghamshire, geboren und verbrachte eine recht mühselige, von dem frühen Tod seiner irischen Mutter und Krankheit überschattete Jugendzeit. 1935 liess er sich in London nieder, wo er 1936 seine erste Frau, Elizabeth, heiratete. Sie hatten einen Sohn und eine Tochter, die mit drei Jahren verstarb. In den 30er-Jahren veröffentlichte Russ einige Kurzgeschichten und zwei Romane. Seine schriftstellerische Laufbahn wurde durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs unterbrochen – in den Kriegsjahren arbeitete er vermutlich für den englischen Geheimdienst.

Und dann, im Sommer 1945, begann Russ ein zweites Leben: Er nannte sich von jetzt an offiziell Patrick O’Brian, verliess Frau und Kind und zog mit seiner zweiten Frau Mary Tolstoy zuerst in das abgelegene nordwalisische Tal Cwm Croesor, später, 1949, in das südfranzösische Städtchen Collioure, wo er die folgenden vierzig Jahre verbrachte und als Autor und Übersetzer arbeitete. Er schrieb eine Biografie von Pablo Picasso, mit dem ihn eine Freundschaft verband, und übersetzte unter anderem Henri Charrières ‚Papillon‘ und Simone de Beauvoirs Spätwerke ins Englische.

Ende der 60er-Jahre nahm Patrick O’Brian seine Reihe um Captain Jack Aubrey, Offizier der Royal Navy, und den irisch-katalanischen Schiffsarzt und Spion Stephen Maturin in Angriff – und wurde ein Bestsellerautor. Die 20-bändige, chronologisch zu lesende, mit viel trockenem Humor erzählte Reihe spielt zwischen 1801 und 1816, zur Zeit der Koalitionskriege gegen Napoleon Bonaparte. Sie lebt von den zwei gegensätzlichen, höchst komplexen Hauptfiguren und unzertrennlichen Freunden – Jack Aubrey, Spitzname „Lucky Jack“, ein übergewichtiger, extrovertierter Hüne mit unseriösem Lebenswandel, ein taktisch brillanter Seemann, der im letzten Roman doch noch zum Admiral befördert wird, und Stephen Maturin, ein hochgebildeter, kaltblütiger, zum Grübeln neigender Internist irisch-katalanischer Abstammung, die für den britischen Geheimdienst auf den Meeren unterwegs sind (und in ihrer spärlichen Freizeit zusammen musizieren) -, aber auch von O’Brians sprachlicher Ausdruckskraft und der detailreichen Darstellung des Lebens in der Zeit der Napoleonkriege, des Lebens auf der See.

Der Autor starb zwei Jahre nach seiner Frau während eines Aufenthalts in Dublin. Der 21. Band der Aubrey & Maturin-Serie blieb unvollendet und wurde 2004 als Fragment publiziert. Im selben Jahr veröffentlichte O’Brians Stiefsohn, der Historiker Nikolai Tolstoy, die Biografie ‚Patrick O’Brian: The Making of the Novelist‘.

Bibliografie:

Jack Aubrey & Stephen Maturin-Serie: ‚Master and Commander‘ – ‚Kurs auf Spaniens Küste‘ (1969), ‚Post Captain‘ – ‚Feindliche Segel‘ (1972), ‚H.M.S. Surprise‘ – ‚Duell vor Sumatra‘ (1973), ‚The Mauritius Command‘ – ‚Geheimauftrag Mauritius‘ (1977), ‚Desolation Island‘ – ‚Sturm in der Antarktis‘ (1978), ‚The Fortune of War‘ – ‚Kanonen auf hoher See‘ (1979), ‚The Surgeon’s Mate‘ – ‚Verfolgung im Nebel‘ (1980), ‚The Ionian Mission‘ – ‚Die Inseln der Paschas‘ (1981), ‚Treason’s Harbour‘ – ‚Gefahr im Roten Meer‘ (1983), ‚The Far Side of the World‘ – ‚Master and Commander. Bis ans Ende der Welt‘ (auch unter dem Titel ‚Manöver um Feuerland‘, 1984), ‚The Reverse of the Medal‘ – ‚Hafen des Unglücks‘ (1986), ‚The Letter of Marque‘ – ‚Sieg der Freibeuter‘ (1988), ‚The Thirteen-Gun Salute‘ – ‚Tödliches Riff‘ (1989), ‚The Mutmeg of Consolation‘ – ‚Anker vor Australien‘ (1991), ‚Clarissa Oakes‘ – ‚Inseln der Vulkane‘ (1992), ‚The Wine-Dark Sea‘ – ‚Gefährliche See vor Kap Horn‘ (1993), ‚The Commodore‘ – ‚Der Triumph des Kommodore‘ (1995), ‚The Yellow Admiral‘ – ‚Der gelbe Admiral‘ (1996), ‚The Hundred Days‘ – ‚Mission im Mittelmeer‘ (1998), ‚Blue at the Mizzen‘ – ‚Der Lohn der Navy‘ (1999), ‚The Unfinished Journey of Jack Aubrey‘ (Fragment, 2004).