(1927-2010; schrieb auch als Mark Merrill)
David Markson kam als Sohn eines Journalisten und einer Lehrerin in Albany, New York State, zur Welt. Nach zweijährigem Militärdienst und einem Englischstudium, das er am Union College in Schenectady, New York State, absolvierte und 1951 an der Columbia University mit einem Master-Titel abschloss, war er als Journalist und im Verlagswesen tätig. Später unterrichtete er Englisch und Kreatives Schreiben an der Long Island University, der Columbia University und der New School.
1959 veröffentlichte Markson seinen ersten von drei Krimis. Es folgten ein satirischer Westernroman, sechs weitere, zum Teil experimentelle Romane (der letzte, ‘The Last Novel’, im Jahr 2007), ein Gedichtband, zahlreiche Kurzgeschichten, Kritiken und Essays sowie ein Sachbuch über seinen Freund Malcolm Lowry, dessen Meisterwerk ‘Under the Volcano’ das Thema seiner Master-Arbeit gewesen war.
Der Autor lebte kurze Zeit in Mexiko und Spanien, verbrachte jedoch die meiste Zeit seines Lebens im New Yorker Stadtteil Greenwich Village, wo er 82-jährig starb. Er hinterliess seine Ex-Frau (und spätere Literaturagentin) Elaine, mit der er von 1956 bis 1994 verheiratet war, und zwei Kinder, Johanna und Jed.
Harry Fannin, ein hartgesottener New Yorker Privatdetektiv und Veteran des Zweiten Weltkriegs, dessen Körper durch unzählige von Schuss- und Messerverletzungen herrührende Narben verunstaltet ist, gehört zu den eigenständigsten Philip Marlowe-Nachfolgern. Er steht im Mittelpunkt von zwei mit literarischen und musikalischen Anspielungen, frechen Sprüchen und pointierten Dialogen gespickten Romanen, Greenwich Village ist sein Revier.
In Marksons bestem Krimi ‘Nachruf auf einen toten Tramp’ wird Fannins Gemüt gleich zu Beginn arg durchgeschüttelt: Es klingelt bei ihm in einer heissen Sommernacht, eine Frau schleppt sich mit letzter Kraft zu seiner Wohnung hoch – und stirbt in seinen Armen an den Folgen eines Messerstichs. Das Opfer ist seine nymphomanisch veranlagte Ex-Frau Cathy, die er noch immer geliebt hat. Fannin macht sich auf die Suche nach dem Täter, erfährt, dass drei zwielichtige Männer, ein Schriftsteller, ein Musiker und ein schwuler Fotograf, zu Cathys engsten Freunden zählten, und dass sie kürzlich in einen bewaffneten Raubüberfall verwickelt war, doch diese Spuren führen ins Leere. Die einigermassen überraschende, jedoch durchaus plausible Lösung ist für Harry Fannin ein schwer zu verdauender Tiefschlag.
Bibliografie:
Harry Fannin-Romane: ‘Epitaph for a Tramp’ – ‘Nachruf auf einen toten Tramp’ (auch unter dem Titel ‘Tod um 3 Uhr früh’, 1959), ‘Epitaph for a Deadbeat’ – ‘Nachruf auf einen toten Beatnick’ (1961);
‘Miss Doll, Go Home’ (1965).
Leider, und anders als von mir erwartet, dient dem Autor das Bohème-Milieu der “Beatniks”-Schriftsteller und Jazzmusiker nur als eine stereotype Kulisse. Seinen Rätselkrimi baut David Markson raffiniert und vertrackt auf, versieht ihn mit mehreren rasanten Wendungen. Trotzdem bleibt er letzlich altbacken: ohne Psychologie, ohne jegliche Dimension eines Gesellschaftsromans, den schlichten Rätsel-, Schauer- und Detektivgeschichten des 19. Jahrhunderts verhaftet. Dem entsprechen der Privatdetektiv und die Kriminalbullen: allesamt unbestechlich, hochkompetent und arbeiten sehr eifrig Hand in Hand zusammen, der Detektiv sogar unentgeltlich.
Sie sind so gar nicht hardboiled. Sind sie wenigstens cool?
Den jazzigen Zeitgeist der “Beatniks” drückt der Autor in einer Fülle gewollter und meistens auch gelungener cooler Sprüche aus. Obwohl er die Spannungsbögen gekonnt auf ihnen aufbaut, ergibt eine Reihung von Sprüchen noch lange keinen Roman. Die Coolness drückt sich besonders im Umgang mit Frauen aus: Die Frauen der Beatnik-“Szene” dieser Erzählung bestehen aus einer burschikosen Schönheit (geschieden, vom Ich-Erzähler angehimmelt) und Drogen konsumierenden Callgirls. Für den Spießer wirken diese Frauen sehr freizügig und sexuell interessant. Zugleich dient die Literatur- und Musikszene, auf deren Partys sich Frauen und Männer betrinken, als ein Spießerschreck, die den Leser befremden und erschauern lassen soll.