(*1948)
Jonathan Valin kam in Cincinnati, Ohio, als Sohn des Psychologen Sigmund (!) Valin und der Grundschullehrerin Marcella Valin, geborene Fink, zur Welt und wuchs mit seiner Schwester Julie in Pittstown, Pennsylvania, und auf Hawaii auf. Er besuchte die Walnut Hills High School in seiner Geburtsstadt und studierte anschliessend Anglistik an der University of Cincinnati und der University of Chicago. 1977 wurde er an der Washington University in St. Louis promoviert. Nach dem Studium war er fünf Jahre als Englischprofessor tätig, zuerst an der University of Cincinnati, dann an der Washington University in St. Louis, bis er 1979, inspiriert durch Raymond Chandlers und Ross Macdonalds Detektivromane, das Krimischreiben zu seinem Hauptberuf machte.
Von 1980 bis 1995 veröffentlichte Valin elf sauber konstruierte, mit farbigen Personenschilderungen und authentisch wirkenden Dialogen geschmückte Krimis, in denen der Vietnamveteran Harry Stoner, ein gross gewachsener, muskelbepackter, etwas heruntergekommener Einzelgänger mit hohem Moralkodex und geschliffenem Mundwerk, nach einigen Jahren als Mitarbeiter der Pinkerton-Agentur und der Staatsanwaltschaft jetzt als Ich-erzählender Privatermittler in Cincinnati auf Achse ist, wobei er es (wie sein Vorbild Lew Archer) zumeist mit dunklen Familienaffären zu tun bekommt, denen er mit viel Engagement und Feingefühl auf den Grund geht.
Zu Beginn der Reihe 36-jährig, danach in Echtzeit alternd, lebt Stoner in einer schäbigen 2½-Zimmer-Wohnung im Stadtteil Clifton, hört ständig klassische Musik, fährt einen verrosteten Pinto und trinkt am liebsten Scotch, zur Not auch Bourbon. Wie jeder fähige Privatdetektiv hat auch er einen guten Kumpel bei der Polizei – den routinierten Detective Sergeant Sid McMasters. Seine detailreich beschriebenen Frauenbeziehungen sind jeweils von kurzer Dauer, nicht zuletzt, weil sich Stoner weitaus intensiver seinen vor Gewalt und Brutalität strotzenden Fällen als seinem Privatleben widmet. Umso enger hat ihn die Leserschaft in ihr Herz geschlossen: Als das Krimimagazin ‘Rap Sheet’ im Jahr 2006 eine Umfrage durchführte, welcher fiktive Privatdetektiv denn am meisten vermisst würde, gewann Harry Stoner das Rennen knapp vor Stephen Greenleafs Marsh Tanner und Martha Lawrences Elizabeth Chase.
Im Jahr 1989 für den achten Stoner-Titel ‘Extenuating Circumstances’ mit einem Shamus Award ausgezeichnet, verlor Valin in der Folge allmählich das Interesse an seiner Hauptfigur – und 1995, nach drei weiteren Bänden, war dann endgültig Schluss mit Harry Stoner. Der Autor wandte sich fortan vermehrt seiner zweiten Leidenschaft, der Musik, zu, veröffentlichte das gewichtige Sachbuch ‘Living Stereo: The RCA Bible, a Compendium of Opinion on RCA Living Stereo Records’, und war Mitgründer des Musikmagazins ‘Fi’.
Valin lebt mit seiner Frau Katherine Valin, geborene Brockhaus, einer renommierten Lyrikerin, Künstlerin und Kritikerin, mit der er seit 1971 verheiratet ist, in Clifton, Cincinnati, und schreibt und redigiert für die breit gefächerte Musikzeitschrift ‘The Absolute Sound’.
Bibliografie:
Harry Stoner-Serie: ‘The Lime Pit’ – ‘Bis auf die Knochen’ (1980), ‘Final Notice’ – ‘Letzte Warnung’ (1980), ‘Dead Letter’ – ‘Versiegelt und geklaut’ (1981), ‘Day of Wrath’ – ‘Am Tag der Rache’ (1982), ‘Natural Causes’ – ‘Natürliche Umstände’ (1983), ‘Life’s Work’ – ‘Spiel ums Leben’ (1986), ‘Fire Lake’ – ‘Cincinnati Blues’ (1987), ‘Extenuating Circumstances’ – ‘Mildernde Umstände’ (1989), ‘Second Chance’ (1991), ‘The Music Lovers’ (1993), ‘Missing’ (1995).