(1925-2017)

Geboren und aufgewachsen in der bretonischen Ortschaft Pouldavid-sur-Mer (dem heutigen Douarnenez) als zweiter Sohn einer Arbeiterfamilie, besuchte Jean-Francois Coatmeur die Klosterschule in der nahegelegenen Gemeinde Pont-Croix. Am 5. August 1944 entging er um ein Haar der Hinrichtung durch die bereits auf dem Rückzug sich befindenden deutschen Okkupanten, ein höchst traumatisches Erlebnis, das er in dem 1991 erschienenen Roman ‚Les croix sur la mer‘ verarbeitete.

Nach dem Studium der klassischen Literatur an der katholischen Fakultät der Universität Angers arbeitete er als Sekundarlehrer für dieses Fach in Calais und Brest. Von 1958 bis 1963 unterrichtete er an einer französischen Schule in Abidjan, Elfenbeinküste, um dann doch wieder in seine nordfranzösische Heimat, nach Brest, zurückzukehren, wo er bis zu seiner Pensionierung 1985 als Lehrer wirkte. Der seit 1952 mit Josette Beyer verheiratete Vater einer 1953 geborenen Tochter starb dort im Alter von 92 Jahren.

Parallel zu seiner Lehrertätigkeit wandte sich Coatmeur in der ersten Hälfte der 50er-Jahre dem Schreiben zu. Sein Werk besteht aus 26 Krimis, zahlreichen Novellen, mehreren Hörspielen, einem Theaterstück und dem erwähnten Roman ‚Les croix sur la mer‘. ‚Sirenen um Mitternacht‘ und ‚Nur kein Skandal!‘ sind seine bekanntesten Krimis, mit ihnen begründete er seinen Namen als „Meister der Intrige“ sowie als Autor, der auch den Schwachen – den Opfern, Aussenseitern und Kindern – eine Stimme gab.

‚Sirenen der Nacht‘, eine atemlose, mit sprunghaften Szenen- und Perspektivenwechsel vorangetriebene Geschichte, spielt in der bretonischen Hafenstadt Brest in einem fiktiven Frankreich, das nach einem Militärputsch von einer totalitären Regierung und einer paramilitärischen Polizeitruppe beherrscht wird – und in dem kaum mehr Verbrechen geschehen. Als dann in der gleichen Nacht an ganz unterschiedlichen Orten das linientreue Ehepaar Fontange, bestehend aus der reichen, nach einem Unfall gelähmten Fabrikantin Fabienne und dem Frauenhelden Eric, getötet wird, geht die Polizei von einer kommunistischen Verschwörung aus, was natürlich Unsinn ist. Unter Tatverdacht gerät indes auch Jef Chabert, der Bruder der Ermordeten, ein heruntergekommener Ex-Flic – und Alleinerbe des schwesterlichen Vermögens. In weiteren tragenden Rollen: Der Gastarbeiter Manoel Pereira, ein wichtiger Zeuge, der nach einem Verhör durch die Geheimpolizei spurlos verschwindet; Maud Chabert, die von ihrem Mann Jef getrennt lebt und ihm trotzdem ein falsches Alibi verschafft; und Kommissar Rault, der sich bei seinen Ermittlungen weder durch lügende Zeugen noch durch opportunistische Vorgesetzte und die Machenschaften von „Monsieur Jean“, dem gefürchteten Chef der Geheimpolizei, beirren lässt – und die überraschende Lösung ans Licht bringt.

In Coatmeurs elftem Roman ‚Nur kein Skandal!‘ werden die „Briefkastentante“ Liz und ihr kleiner Sohn Sébastien in ihrem Haus in der Nähe von Quimper ermordet. Albert Laugel, Liz‘ Ex-Mann und Sébastiens Vater, ein ruhiger, sympathischer Zeitgenosse, traut der Polizei nicht über den Weg. Er beginnt selbst zu ermitteln, überlebt ein Attentat nur knapp – und kommt einem ungeheuerlichen Komplott auf die Spur, in das ein farbiges Figurenensemble verwickelt ist: Carol Ridoni, die zwei Monate zuvor von drei Maskierten vergewaltigt wurde und sich dann in ihrer Not an Liz wandte; der unbestechliche Journalist Loïc Leporon, der seinen Mut mit dem Leben bezahlt; Léon Ballière, der Bürgermeister von Quimper, und sein aufmüpfiger Sohn Olivier; der verheiratete Psychiater Jacques Garamance und seine sinnenfrohe Geliebte Vicki Lemarchand, die – neben einem unbekannten Dritten – an der Vergewaltigung beteiligt waren; und die gegensätzlichen Polizisten Commissaire Nargeot und sein Assistent David Cadoc.

Bibliografie:

‚Chantage pour une ombre‘ (1963), ‚Nocturne pour mourir‘ (1965), ‚Aliena‘ (1968), ‚Baby-foot‘ – ‚Sechzehn Jahre sind kein Leben‘ (1970), ‚J’ai tué une ombre‘ (auch unter dem Titel ‚autre-mort‘, 1972), ‚La voix dans Rama‘ (1973), ‚Le squale‘ (1975), ‚Les sirènes de minuit‘ – ‚Sirenen um Mitternacht‘ (1976), ‚Le mascaret‘ (1977), ‚On l’appelait Johnny‘ – ‚Ein gewisser Johnny‘ (1979), ‚La bavure‘ – ‚Nur kein Skandal!‘ (1980), ‚Morte fontaine‘ (1982), ‚La nuit rouge‘ – ‚Blutige Nacht‘ (1984), ‚Yesterday‘ (1985), ‚Narcose‘ (1987), ‚La danse des masques‘ (1989), ‚Escroquemort‘ (1992), ‚Des feux sous la cendre‘ (1994), ‚Les secrets d’Agnès Valière‘ (1996), ‚La porte de l’enfer‘ (1997), ‚Ballet noir‘ (1999), ‚Escale à Brest‘ (2000), ‚Tout nos soleils sont morts‘ (2002), ‚La fille de Baal‘ (2005), ‚Une écharde au cœur‘ (2010), ‚L’0uest barbare‘ (2012).