(1922-2019)

Harold Nebenzal wurde als Sohn des berühmten jüdischen Filmproduzenten Seymour Nebenzal in Berlin-Tiergarten geboren und spielte als Kind in dessen Filmen mit. Im Jahr 1931 besuchte er ein Internat in der Schweiz. Am 31. März 1933, zwei Monate nach der Machtübernahme durch Hitlers Nationalsozialisten, emigrierte er mit seinen Eltern in die USA. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er fünf Jahre mit der Marineinfanterie im Pazifik, zuletzt als Hauptmann. 1947 heiratete er die Schauspielerin Rita Cordey und hatte mit ihr zwei Kinder, Daniel und Deborah. Er liess sich mit seiner Familie in Berverly Hills nieder und arbeitete als Drehbuchautor und Filmproduzent mit Grössen wie Carlo Ponti, Ingmar Bergmann, John Huston, Bob Fosse, Marcello Mastroianni, Robert Mitchum und seinem Freund Billy Wilder. Mit siebzig Jahren veröffentliche er seinen ersten Roman ‘Café Berlin’. Der in zweiter Ehe mit der Koreanerin Dorothy Lee verheiratete Autor starb 96-jährig in Los Angeles. Kurz danach dokumentierte Eckhardt Schmidt Nebenzals Leben in dem Film ‘Harold Nebenzal erzählt … von Cabaret und anderen Filmen’.

‘Café Berlin’, ein düsterer Politroman in der Tradition Eric Amblers, dreht sich um den weltgewandten, schlitzohrigen sephardischen Juden Daniel Saporta mit dem “unverdächtigen” Decknamen Salazar. Geboren 1911 in Damaskus, betreibt er in den 30er-Jahren mit seinem proletarischen Freund Lohmann das dekadente, berühmt-berüchtigte Berliner Nachtlokal ‘Kaukasus Klub’, ein beliebter Treffpunkt von NSDAP-Bonzen, SS- und Wehrmachtsoffizieren. Zeitsprung in den November 1943: Daniel musste untertauchen, um als enttarnter Jude der Hinrichtung durch die Gestapo zu entrinnen. Umgeben von ausgehungerten Ratten, hält er sich seit zwei Jahren in einer kleinen, unbeheizten Dachkammer in der Charlottenstrasse versteckt und blickt zurück auf sein aufregendes Leben. Sein aufgrund amouröser Verwicklungen im Fiasko endendes Jahr bei einem jüdischen Gewürzhändler mit achtzehn; die pulsierenen Nächte im ‘Kaukasus Klub’; seine Tätigkeit für einen skrupellosen britischen Spionagering; seine Reise nach Jugoslawien, wo er in Sabotageake von serbischen Partisanen verwickelt wird; seine Liebe zu der jüdischen Tänzerin Samira Mansour, die beim Kampf gegen die deutschen Kriegsverbrecher eine entscheidende Rolle spielt – In diesem Kontext kommt auch das explosive Thema “Die Araber und der Holocaust” zur Sprache; wie es schliesslich dazu kam, dass sein Leben am 16. Dezember 1941 jäh zum Stillstand kam. Am 30. April 1945 verlässt er die Dachkammer. Im Frühjahr 1990, nach dem Fall der Berliner Mauer, entdecken Abbrucharbeiter seine Tagebücher. Nebenzal zeichnet in seinem ganz ohne Schwarz-Weiss-Malerei auskommenden Roman das vielschichtige, detaillierte Bild einer Zeit, in der es letztlich nur ums Überleben geht.

Mit ‘Hafen der Düfte oder Die letzten Tage von Hongkong’, ‘Der Löwenkult’ und ‘Peking-Express’ verfasste Nebenzal drei weitere – gegenüber dem Erstling arg abfallende, dafür mit zahlreichen Sexszenen gewürzte – Spannungsromane, die im amerikanischen Original vermutlich nicht erschienen sind.

Bibliografie:

‘Cafe Berlin’ – ‘Café Berlin’ (1992), ‘Fragrant Harbour’ – ‘Hafen der Düfte oder Die letzten Tage von Hongkong’ (1995), ‘The Lion Cult’ – ‘Der Löwenkult’ (1999), ‘Celestial Express’ – ‘Peking-Express’ (2006).