(1947-2022)

Jim Nisbet kam in Schenectady, Bundesstaat New York, zur Welt und absolvierte ein Literaturstudium an der University of North Carolina in Chapel Hill. Danach versuchte er sich in verschiedenen Berufen, bis er nach San Francisco zog, um sich vorrangig dem Schreiben zu widmen. Er verfasste vierzehn Romane, fünf Lyrikbände, zahlreiche Essays, Artikel und Kurzgeschichten, eine Handvoll Einakter und Monologe sowie ein Sachbuch über Design und Bau retro-futuristischer Möbel – eine Tätigkeit, die er selbst bis 2016 ausübte, um sich finanziell unabhängig zu halten. Jim Nisbet, der „Meister der Schundliteratur für Intellektuelle“, konnte im angloamerikanischen Raum lange Zeit nicht Fuss fassen (einige seiner Krimis sind zuerst in französischen Übersetzungen erschienen). Er lebte mit seiner Frau in San Francisco, bis sie 2017 in die Nachbarstadt Sausolito umzogen. Im September 2022 starb er 75-jährig in San Francisco.

Nisbets bekanntestes Werk ist ‚Tödliche Injektion‘, ein tempogeladener, tiefschwarzer Thriller, in dem sich der Autor in sarkastischem Ton mit der Todesstrafe befasst. Der alkoholabhängie Arzt Dr. Franklin Royce vollzieht für vierhundert Dollar mit einem Giftcocktail die Hinrichtung des wegen schweren Mordes verurteilten jungen Schwarzen Bobby Mencken in dem texanischen Gefängnis Huntsville, zweifelt jedoch an Bobbys Schuld. Als er sich am folgenden Tag aufmacht, die Vergangenheit des exekutierten Mannes zu recherchieren und den wahren Täter zu identifizieren, trifft er in einem Elendsviertel von Dallas auf den Psychopathen „Fast Eddie“ Lamark und Bobbys heroinsüchtige Ex-Freundin Colleen Valdez, der er sexuell verfällt. Für den im Berufs- und Privatleben kläglich gescheiterten Arzt beginnt ein Alptraum, eine Fahrt in die Hölle.

‚Dunkler Gefährte‘ berichtet von den unerhörten Ereignissen, die Banerjhee Rolf, einem liebenswerten indisch-stämmigen Akademiker mit Abschlüssen in Chemie, Mathematik und Pharmakologie, widerfahren. Seit dreissig Jahren glücklich verheiratet, Vater eines Chemie studierenden Sohnes, hat er ein hübsches Haus in Kalifornien und eine hochdotierte Stelle in der Biotech-Branche. Als seine Firma von einer anderen übernommen wird, verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen indes dermassen, dass er den Job hinschmeisst, um nicht in Depressionen zu versinken – Rolf wird arbeitslos, ohne Aussicht auf eine neue Stelle, und hat viel Zeit für sein Hobby, die Astronomie. Eines Abends wird er in einen Streit seiner Nachbarn Toby Pride, dem Anschein nach ein mit Drogen handelnder Nichtsnutz, und dessen schöner Freundin Esma verwickelt, dann tauchen drei schwer bewaffnete Männer auf, es kommt zu einer wilden Schiesserei, an der sich auch Rolf beteiligt – und die er als einziger überlebt. In dem überwiegend aus Dialogen bestehenden, immer wieder mit unerwarteten Wendungen aufwartenden Noir-Roman übt Nisbet scharfe Kritik am kapitalistischen System der Vereinigten Staaten.

San Francisco, kurz nach der Jahrtausendwende. Curly Watkin, Gitarrist mit riesigem Krakentatoo auf dem blanken Schädel, Ivy Pruitt, begnadeter Ex-Drummer auf Heroin, und Lavinia, Luder aus reichem Haus, haben ihre guten Zeiten in der Punkbewegung längst hinter sich, als sie versuchen, eine neue Combo auf die Beine zu stellen. Da stolpern sie über die Leiche eines Musikers aus ihrem Bekanntenkreis und kommen einem Serienkiller in die Quere – das Bandprojekt wird jäh zur Nebensache. ‚Der Krake auf meinem Kopf‘, geschickt gebaut und mit ungezählten literarischen und musikalischen Verweisen geschmückt, zählt zu den finstersten Krimis der heutigen Zeit.

Klinger, die vornamenlose Hauptfigur von ‚Welt ohne Skrupel‘, lebt ohne festen Wohnsitz in San Francisco, finanziert sein anspruchsloses Leben mit gelegentlichen Raubüberfällen und verbringt den grössten Teil seiner Tage in der Kneipe ‘Hawse Hole’, wo er vor sich hin bechert und das alkoholselige Gefasel seiner Kumpane über sich ergehen lässt. Doch eines Tages, kurz nach einem danebengegangenen Schnapsladen-Einbruch, gerät Klinger zufällig in eine ihm gänzlich fremde Welt: Jene der Internet-Technologie, verkörpert durch einen App-Entwickler und dessen raffinierte Chefin, der er prompt auf den Leim kriecht. Dies ist das Rohmaterial, aus dem Nisbet ein hinterhältiges, mit schwarzhumorigen Beobachtungen prall gefülltes Meisterwerk kreiert.

Bibliografie:

Martin Windrow-Romane: ‚The Gourmet‘ (auch unter dem Titel ‚The Damned Don’t Die‘, 1981), ‚Ulysses‘ Dog‘ (1993);

‚Lethal Injection‘ – ‚Tödliche Injektion‘ (1987), ‚Death Puppet‘ (1989), ‚Prelude to a Sream‘ (1997), ‚The Price of the Ticket‘ (2003), ‚The Syracus Codex‘ (2005), ‚Dark Companion‘ – ‚Dunkler Gefährte‘ (2006), ‚The Octopus on My Head‘ – ‚Der Krake auf meinem Kopf‘ (2007), ‚Winward Passage‘ (2010), ‚A Moment of Doubt‘ (2010), ‚Old & Cold‘ (2012), ‚Snitch World‘  – ‚Welt ohne Skrupel‘ (2013), ‚Powerball‘ (2020).