(*1932)

Tito Topin, geboren und aufgewachsen in Casablanca, Marokko, als Sohn eines Kommissars und späteren Privatdetektivs, gründete mit 21 in seiner Geburtsstadt die Werbeagentur ‚Publicasso‘. 1955/56 nahm er am Algerienkrieg teil, emigrierte dann nach Brasilien und betrieb in Sao Paulo das Werbebüro ‚Catalox‘. Sechs Jahre später kehrte er nach Casablanca zurück, um wiederum in der Werbung tätig zu sein. 1966 liess er sich als Illustrator und Comic-Zeichner in Paris nieder. Seit 1978 lebt er als Autor von Romanen, Novellen, Drehbüchern und Kinderbüchern und als Filmproduzent in Villedieu, in der Nähe des südfranzösischen Städtchens Vaison-la-Romaine. 1989 kreierte er die berühmte Kommissar Navarro-Serie für das französische Fernsehen. 1997 gründete er die Produktionsfirma ‚Serial Productions‘.

In den 80er-Jahren schrieb Topin neun actiongeladene Romane, von denen zwei als „Roman Noir“ in Klaus Bittermans Edition Tiamat erschienen sind.

Der 1984 mit dem Prix Mystere de la Critique‘ ausgezeichnete Roman spielt im Casablanca des Sommers 1955, kurz vor Abzug der französischen Besatzer aus Marokko. Rassenhass und Aufbruchstimmung beherrschen die Stadt, als die 19-jährige Spanierin Ginette in der Nacht auf den Quatorze Juillet mit völlig entstelltem Gesicht in eine Privatklinik eingeliefert wird – vergewaltigt und halb tot geschlagen durch Georges Bellanger, der es nicht mehr ausgehalten hat, von allen schönen Frauen abgewiesen zu werden. Bellangers Mutter, Chefärztin dieser Klinik und Geliebte des Zivilgouverneurs, versucht mit allen Mitteln, die Tat den Arabern anzuhängen. Dann kehrt Ginettes Verlobter Manu aus dem Militärdient zurück und sinnt auf Rache. Die Ermordung der Zeugin, die Bellanger belasten könnte, heizt die fiebrige Atmosphäre weiter auf – die zerrissene Metropole wird zum Hexenkessel.

Hauptfigur des turbulenten Humoreske ‚Im letzten Akt fliesst immer Blut‘ ist der bemitleidenswerte, kettenrauchende, durch seinen Vater tyrannisierte Kommissar Sébulchre, dem Hören und Sehen vergeht, als zwei libanesiche Terroristen, die Brüder Abdessalam, in Paris eine Kneipe und einen Autosalon in die Luft jagen, und zwei kleine Gauner, Robert Slovacki und sein Freund William, im entstehenden Chaos die Chance wahrnehmen, die nebenan gelegene Bank auszurauben und sich mit der Kohle in die Provinz abzusetzen.

Zwei weitere Krimis aus Topins umfangreichem Werk sind rund dreissig Jahre später durch den DistelLiteraturVerlag ins Deutsche übertragen worden,

‚Exodus aus Libyen‘ spielt im Juli 2011 in Libyen, auf dem Höhepunkt des Bürgerkrieges gegen Gaddafi, die NATO unterstützt die aufständischen Truppen aus der Luft. Ein bunt zusammengewürfelter achtköpfiger Haufen ist in einem gestohlenen Land Cruiser auf der Flucht aus Tripolis, Tunesien ist das Ziel. In knappen Einschüben erzählen die Flüchtlinge ihre Vorgeschichte – der französische Kampfpilot Henri Ventura, der um ein Haar der Hinrichtung entging; der ägyptische Bankräuber Emmanuel Sharif; die schöne Schauspielerin Salima, die mit Gaddafi im Bett war und ihn mit einem Messer schwer verletzte; der versoffene kanadische Arzt Kenneth Hitchcock, der den Diktator dann zusammenflickte; der Gymnasiallehrer Ikken Massimina, genannt Chino; Ousmane Elmalik, ein Flüchtling aus dem Tschad; der Franzose Jean-David Mouillon, ein Archäologe, der wegen Fälschungen neun Jahre im Gefängnis abriss; Wardia Tisantani, eine hochschwangere, unverheiratete, von ihrer Familie verstossene Krankenschwester. Eine unter sich zerstrittene Gruppe von Menschen, denen es nur darum geht, ihre Haut zu retten. Die Flüchtlinge stranden in einem zerstörten, gottverlassenen Städtchen und treffen dort auf den desillusionierten libyschen Kommandanten. Und dann kommen die Rebellen, die Welt explodiert. ‚Exodus aus Libyen‘: Eine schnörkellose, nachtschwarze Parabel über die Sinnlosigkeit des Krieges.

Topins satirischer Krimi ‘Tanzt! Singt! Morgen wird es schlechter’ spielt in der nahen Zukunft. Frankreich ist eine theokratische Diktatur, wer nicht gläubig ist, wird verfolgt, unter ihnen der systemkritische, als Pastor getarnte Journalist und Freigeist Boris Prévert und seine Jugendfreundin Soledad. Auf ihrer gefahrenreichen Flucht, die sie in einem gestohlenen Wagen über Avignon und Barcelona nach Lissabon führt, gesellen sich die Zufallsbekanntschaften Anissa, eine im siebenten Monat schwangere Frau, und der alte Bankräuber Pablo hinzu. Ihre Verfolger sind die abtrünnige Polizistin Lieutenante Gladys Le Querrec vom Justizministerium (Boris’ gute Freundin aus alten Tagen) und Abdelmalek Chaambi, ein Killer der regierenden Kirche, der damit rechnet, dass Gladys ihn zu Boris führt. Der Showdown findet in Lissabon statt, während Anissa ihren winzigen Sohn zur Welt bringt.

Bibliografie:

‚Graffiti Rock‘ (1982), ‚Brelan de Nippons‘ (1982), ’55 de fièvre‘ – ‚Casablanca im Fieber‘ (1983), ‚Nocturne‘ (1983), ‚Piano Barjo‘, ‚Honey Money‘ (1984), ‚Tchatcha Nouga‘ (1984), ‚Shanghai Skipper‘ (1985), ‚Le Coeur et le chien‘ (1985), ‚Pension Pullman‘ (1986), ‚Un gros besoin d’amour‘ – ‚Im letzten Akt fliesst immer Blut‘ (1988), ‚Le Transsaharien‘ (1994), ‚La belle vie‘ (1997), ‚Le système Navarro‘ (2005), ‚Sur un air de Navarro‘ (2007), ‚Photo Finish‘ (2008), ‚Parfois je me sens comme un enfant sans mère‘ (2009), ‚Des rats et des hommes‘ (2011), ‚Les enfants perdus de Casablanca‘ (2011), ‚Libyan Exodus‘ – ‚Exodus aus Libyen‘ (2012), ‚Carmen City‘ (2012), ‚Métamorphose des cendres‘ (2014), ‚L’exil des mécréants‘ – ‚Tanzt! Singt! Morgen wird es schlechter‘ (2017).

Kommissar Bentch-Trilogie: ‚Bentch et Cie‘ (2006), ‚Bentch Blues‘ (2007), ‚Cool, Bentch!‘ (2008).